Debatte um Präventionsprogramm «Klar bleiben» gegen Alkoholmissbrauch

Nach Schätzungen der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
haben fast zwei Drittel der 12- bis 17-Jährigen schon einmal Alkohol
getrunken, nicht selten in bedenklichen Mengen. Prävention soll
Alkoholmissbrauch verhindern. Doch auch mit Preisgeld?

Schwerin/Kiel (dpa/mv) - Die Teilnahme von Schulklassen in
Mecklenburg-Vorpommern am Präventionsprogramm «Klar bleiben» gegen
Alkoholmissbrauch durch Jugendliche hat im Nordosten eine kontroverse
Debatte ausgelöst. So äußerte sich Heike Walter von der
Schulleitungsvereinigung MV skeptisch über das Programm, bei dem sich
Schüler ab Klasse zehn verpflichten konnten, einen Monat lang auf
«riskanten Alkoholkonsum» zu verzichten. Wenn sich wenigstens 90
Prozent der Jugendlichen daran hielten, nahm die Klasse an einer
Verlosung mit einem Hauptpreis von 1000 Euro teil. «Was ist das für
ein Signal, wenn sich 10 Prozent der Schüler betrinken dürfen und es
trotzdem eine Prämie gibt», sagte Walter am Mittwoch der Deutschen
Presse-Agentur in Schwerin.

Es sei sinnvoll, in diesem Alter mit der Alkoholprävention
anzufangen. «Man darf die Latte nicht zu hoch legen. Nur mit Verboten
und Abschreckung kommt man nicht weiter», betonte hingegen Birgit
Grämke von der Landeskoordinierungsstelle für Suchtthemen (Lakost) MV
in der «Ostsee-Zeitung». Das Blatt hatte in seiner Mittwochausgabe
über das Programm berichtet. «Eigentlich ist mir ja jedes Mittel
recht, das Jugendliche davon abhält, Dummes zu tun. Aber warum muss
man sie mit Geld dazu motivieren, wenig zu trinken?», zitierte die
Zeitung den Vorsitzenden des Landeselternrats, Kay Czerwinski.
«Selbst das Zulassen von wenig Alkohol in diesem Alter geht gar
nicht», sagte Jörg Seifert vom Gymnasiallehrerverband dem Blatt.

Initiator der Aktion ist das ift-Nord Institut für Therapie und
Gesundheitsforschung gGmbH in Kiel. Nach dessen Angaben haben im
Schuljahr 2018/2019 bundesweit 541 Schulklassen am
Präventionsprogramm «Klar bleiben - Feiern ohne Alkoholrausch»
teilgenommen. Darunter seien erstmals auch 21 Schulklassen aus
Mecklenburg-Vorpommern gewesen. 20 davon hätten die Vorgaben
eingehalten, sagte eine Sprecherin. Das aktuelle Projekt war im
Januar gestartet und in den letzten Bundesländern Anfang März beendet
worden. Als Preisträger wurden auch neun Schulklassen aus
Mecklenburg-Vorpommern ermittelt, allerdings nicht für den Hauptpreis
von 1000 Euro.

Mit dem Präventionsprogramm würden gezielt Jugendliche in einem Alter
angesprochen, in dem sie erstmals legal Alkohol kaufen dürften und
Erfahrungen damit machten, sagte Institutsleiter Professor Reiner
Hanewinkel. In der vier- bis sechswöchigen Projektzeit, zu der auch
spezielle Unterrichtseinheiten gehörten, kämen von den Klasse
wöchentlich Rückmeldungen, wie viel Alkohol konsumiert wurde.
«Die Erfahrung zeigt, dass Verbote das Trinkverhalten junger Leute in
ihrer Freizeit kaum beeinflussen», konstatierte Hanewinkel. Die
Auseinandersetzung mit dem eigenen Verhalten könne aber zu einem
bewussteren Umgang mit Alkohol führen.

So habe eine Befragung unter 4000 Schülern ergeben, dass 49,4 Prozent
der Jugendlichen, die vorher schon Alkohol getrunken hatten und nicht
am Präventionsprogramm «Klar bleiben» teilnahmen, im Projektzeitraum

mindestens einmal an Rauschtrinken beteiligt waren. Bei Schülern aus
den beteiligten Klassen habe der Anteil bei 44,2 Prozent gelegen.
«Das ist doch ein Beleg dafür, dass man mit gezielten Maßnahmen das
Verhalten positiv beeinflussen kann und auf Partys oder beim
sogenannten Vorglühen weniger getrunken wird», sagte Hanewinkel.

Den Präventionsaspekt hob auch Gesundheitsminister Harry Glawe
(CDU) hervor. «Aufklärung zum Umgang mit Alkohol ist ohne Frage in
jeder Altersgruppe der richtige Weg. Jede Aktion ist hier hilfreich»,
sagte er. So sei auch «Klar bleiben - Feiern ohne Alkoholrausch» ein
wichtiger Beitrag zur Gesundheitserziehung und für den kontrollierten
Umgang mit Alkohol. «Ob die finanzielle Belohnung für die Abstinenz
ein geeignetes Mittel ist, das ist diskussionswürdig», räumte Glawe
ein. Vom Bildungsministerium in Schwerin war am Mittwoch keine
Reaktion zu erhalten.