Chirurgen fordern Information über Organspende bereits an Schulen

Aufklärung in Klassenzimmern wird großgeschrieben, egal ob es um
Drogen geht, um Rechtsextremismus oder um ungewollte Schwangerschaft.
Kaum geredet wird bisher an Schulen über das Ende des Lebens - und
über Organspende, die einem Todgeweihten neues Leben bringen kann.

München (dpa) - Organspende sollte bereits an Schulen ein Thema sein,
fordert der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie
(DGCH), Matthias Anthuber. Dies sei nötig, um die
Organspendesituation hierzulande zu verbessern. «Nach meiner
Auffassung fangen wir viel zu spät an zu informieren. Das Thema muss
in die Schulen», sagte Anthuber vor dem 136. Chirurgenkongress, der
kommende Woche in München beginnt.

Es gebe in der Grundschule Sexualkundeunterricht, um den Kindern
deutlich zu machen, wie Leben beginne. Es sei nicht ganz zu
verstehen, warum dann das Thema, wie Leben ende, an weiterführenden
Schulen ausgeklammert werden sollte. «Man kann durchaus mit 14, 15
Jahren anfangen, mit den Jugendlichen darüber zu sprechen», sagte
Anthuber, der den DGCH-Kongress als Präsident leiten wird.
«Organspende ist ein Akt von aktiver Nächstenliebe.»

Darüber hinaus sei eine andauernde gesellschaftliche Diskussion
nötig. «Das muss ein kontinuierlicher Prozess sein.» Auch bei
Erwachsenen fehle es oft an Wissen. Viele wüssten etwa nicht, was
Hirntod bedeute, nämlich das unwiderrufliche Absterben des
Hirnzentrums, das für die Aufrechterhaltung elementarer
Lebensfunktionen zuständig ist.

Zudem müssten Formulare für Patientenverfügungen angepasst werden.
Denn wenn darin lebenserhaltende Maßnahmen ausgeschlossen werden, ist
eine Organspende nicht möglich. Grund: Vor einer Organentnahme muss
der Hirntod festgestellt werden. Damit die Organe aber bis dahin
trotzdem noch mit Blut versorgt werden, muss der Betroffene
intensivmedizinisch versorgt werden. Die verbreitete Angst, bei einer
Zustimmung zur Organspende würden die Geräte zu früh abgeschaltet,
sei also völlig unbegründet - das Gegenteil sei der Fall.

Anthuber begrüßte die neue gesetzliche Regelung, nach der
Krankenhäuser mehr Geld bekommen, um sich stärker um Organspenden
kümmern zu können. Eigene Transplantationsbeauftragte, die sich auch
intensiv um die Angehörigen kümmern können, seien ebenfalls ein
richtiger Schritt. Das reiche jedoch nicht aus. Anthuber forderte
erneut die Einführung der doppelten Widerspruchslösung, wie sie in
vielen Nachbarländern bereits üblich ist. Danach ist jeder
automatisch ein Spender. Es sei denn, er hat zu Lebzeiten
ausdrücklich Nein gesagt. Zudem werden - als doppelte Absicherung -
auch noch die Angehörigen gefragt.

In Berlin wird derzeit debattiert, ob und wie Entscheidungen der
Bürger über Organspenden grundlegend neu geregelt werden sollen. Die
Zahl der Organspenden war nach langem Abwärtstrend 2018 wieder
gestiegen.