Im Schallraum der Uni Rostock: Wenn der Schuss nur leise «bupp» macht

Es ist ein eigenartiges Gefühl im Schallraum der Uni Rostock: Es ist
nichts zu hören, wirklich nichts. In diesem Raum wird erforscht, wie
Windräder und Schiffspropeller leiser gemacht werden können.

Rostock (dpa/mv) - Lärm ist ein zunehmendes Problem. Lärmfreie Orte
sind kaum noch zu finden, außer etwa in speziell abgeschirmten
Räumen. Einer diese Räume, ein Schallmessraum, steht in der
Universität Rostock beim Lehrstuhl für Strömungsmaschinen. Professor

Hendrik Wurm ist der Überzeugung, dass der Raum mit seiner Qualität
weltweit einmalig ist. Denn dort seien auch Messungen von Luft- und
Wasserschall möglich. «Deswegen sind wir gut ausgelastet.» Die
Hersteller von Schiffsschrauben und Windrädern wollen ihre Produkte
austesten. Hintergrund ist die hohe akustische Belastung, unter der
Tiere wie Wale oder Delfine im Wasser, aber auch Menschen an Land
immer mehr leiden.

Der Raum ist eine der Attraktionen der 45. Jahrestagung der Deutschen
Gesellschaft für Akustik, zu der sich bis Donnerstag rund 1300
Wissenschaftler in der Hansestadt versammeln. 1,2 Millionen Euro sind
in den etwa 70 Kubikmeter großen Raum investiert worden, dessen Wände
über und über mit Keilen ausgestattet sind. Diese wiederum sind mit
einem schallabsorbierenden Stoff überzogen. «Die Schallwelle läuft in

die Zwischenräume hinein und kommt nicht mehr heraus», sagt Wurm.

Es gebe Leute, die es bei geschlossener Tür in diesem Raum nicht
aushalten. Sie litten unter einer Art Seekrankheit. «Wir sind ja
gewöhnt, dass Schall von allen Seiten immer zurückkommt. Über das
Gleichgewichtsorgan orientieren wir uns im Raum», sagt der Experte.
Er habe schon einmal zu Demonstrationszwecken einen Schuss aus einer
Schreckschusspistole abgefeuert: «Es gab ein leises «Bupp».»

Die Forschungen zur Lautstärke von Propellern seien bislang kein
großes Thema gewesen, sagt der Elektrotechniker Sascha Spors, der
sich an der Uni Rostock um Signaltheorie und digitale
Signalverarbeitung kümmert. «Bis jetzt gibt es nicht allzu viel
Messtechnik.» Doch alles, was mit Strömungen und Turbulenzen zu tun
hat, sei ein herausforderndes wissenschaftlichen Thema. «Da ist Chaos
drin, die Wirbel lassen sich nicht vorhersagen.»

Dass es möglich ist, nahezu geräuschfrei einen Propeller zu bewegen,
zeigt die Marine. «Das gibt es in U-Booten», berichtet Wurm. Eine
Übertragung der Technik sei wegen der enormen Kosten für den
Massenmarkt im Schiffbau nicht möglich. «Wir müssen Lösungen finden
,
dass die Propeller leiser werden, aber trotzdem bezahlbar bleiben.»

Jeder von Pumpen oder Propellern abgestrahlte Schall wird in dem
Schallraum gemessen. Das sei die Basis, um eine Aussage darüber zu
treffen, was wo geändert werden muss, um einen Propeller leiser zu
machen. Die Schallquelle könne zentimetergenau geortet werden.

Akustik habe natürlich auch mit Kunst und Vergnügen zu tun. Denn in
der Kammer könnten theoretisch auch Musikinstrumente ausgetestet
werden. Da geht es beispielsweise um den Unterschied zwischen einer
Stradivari oder den Geigen aus der Massenherstellung. «Die Stradivari
hat in manchen Frequenzen einen sehr warmen Ton», sagt Wurm.

Der Rostocker Musiker Wolfgang Schmiedt hat extra für die Tagung ein
15-minütiges Video produziert. Eineinhalb Jahre sammelte er Geräusche
aus der Medizintechnik. Zusammen mit einer Tänzerin und einem
Videochoreographen produzierte er das Stück mit den
Geräuschelementen, «ein Soundtrack zwischen Angst und Hoffnung.»