Kassenpatienten sollen künftig schneller Termine bekommen

Wenn es Termine beim Arzt erst in mehreren Wochen gibt, ärgert das
gesetzlich Versicherte - vor allem, wenn Privatpatienten fixer dran
kommen. Gegensteuern soll ein Gesetz, das noch einiges mehr vorsieht.

Berlin (dpa) - Mehr Sprechstunden und neue Vermittlungsangebote: Für
Kassenpatienten in Deutschland soll es leichter werden, schneller an
Arzttermine zu kommen. Darauf zielt ein Gesetz der großen Koalition,
das der Bundestag am Donnerstag gegen die Stimmen der Opposition
beschlossen hat. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte, die
Regelungen sollten den Alltag für Millionen Menschen verbessern.
Vorgesehen sind mehr Geld für Ärzte, aber auch für Physiotherapeuten

und Logopäden. Zuschüsse für Zahnersatz sollen erhöht werden. Bis
2021 sollen alle Krankenkassen digitale Patientenakten anbieten.

Spahn sagte, wochenlange Wartezeiten für gesetzlich Versicherte seien
ein Aufregerthema, auch weil es bei Privatpatienten häufig schneller
gehe. Das Gesetz solle die Versorgung daher «schneller, besser und
digitaler» machen. Für Ärzte, die zusätzliche Patienten aufnehmen,

solle gelten: «Wer mehr behandelt, soll auch entsprechend besser
vergütet werden.» SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach sprach von einem
Schritt nach vorn zum Abbau der Zwei-Klassen-Medizin in Richtung
einer Bürgerversicherung. Es sei unwürdig für ein reiches Land wie
Deutschland, wenn Patienten monatelang auf Termine warten müssten.

Das Gesetz sieht vor, dass Praxisärzte künftig mindestens 25 statt
20 Stunden in der Woche für gesetzlich Versicherte anbieten müssen.
Bei Augenärzten, Frauenärzten und Hals-Nasen-Ohren-Ärzten muss es
mindestens fünf Stunden als offene Sprechstunde ohne feste Termine
geben. Die telefonische Vermittlung über Terminservicestellen, die in
den Ländern bisher unterschiedlich arbeiten, soll stark ausgebaut
werden. Ab Anfang 2020 sollen sie nicht nur zu Fachärzten vermitteln,
sondern auch zu Haus- und Kinderärzten. Zudem sollen sie bundesweit
unter der Telefonnummer 116117 täglich rund um die Uhr erreichbar
sein - und auch online oder über eine App für Smartphones.

Für die gesetzlichen Krankenkassen bedeuten die Pläne jährliche
Mehrausgaben in Milliardenhöhe. So sollen Ärzte als Anreiz zusätzlich

Geld bekommen: fürs Vermitteln dringender Termine bei Fachärzten, für

neue Patienten in der Praxis und Leistungen in offenen Sprechstunden.
Wenn sie auf dem Land arbeiten, bekommen Ärzte Zuschläge garantiert.
Insgesamt dürften für Arzt-Vergütungen bis zu 800 Millionen Euro mehr

anfallen, für eine höhere Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen
von Heilberuflern wie Physiotherapeuten weitere 600 Millionen Euro.

Von der Opposition kam Kritik. Der AfD-Abgeordnete Axel Gehrke warnte
mit Blick auf höhere Vergütungen für bestimmte neue Patienten vor
einer «Drei-Klassen-Medizin». Achim Kessler (Linke) protestierte
gegen eine «Klientelpolitik für die Ärzte». Das zentrale Problem de
s
Nebeneinanders von privater und gesetzlicher Versicherung werde nicht
angegangen. Die FDP-Abgeordnete Christine Aschenberg-Dugnus warf der
Koalition eine Diffamierung von Ärzten vor, die im Schnitt mehr als
50 Stunden in der Woche arbeiteten. Maria Klein-Schmeink (Grüne)
bemängelte, es werde sehr viel Geld mit der Gießkanne verteilt, das
für die Lösung anderer wichtiger Probleme benötigt würde.

Das Gesetz sieht auch Ausweitungen der Versorgung vor. Festzuschüsse
der Kassen für Zahnersatz sollen zum 1. Oktober 2020 von bisher 50
auf 60 Prozent steigen. Menschen mit erhöhtem HIV-Risiko sollen sich
auf Kassenkosten per Medikament vor einer Ansteckung schützen können
- indem die Präexpositionsprophylaxe (PrEP) erstattet wird. Junge
Erwachsene sollen es bezahlt bekommen, wenn sie Ei- und Samenzellen
konservieren lassen, um nach einer Krebsbehandlung Kinder bekommen zu
können. In der Pflege sollen ab 1. Mai 2019 reine Betreuungsdienste
zugelassen werden, die etwa beim Putzen oder Einkaufen helfen.

In Kraft treten soll das Gesetz voraussichtlich im Mai, im Bundesrat
ist es nicht zustimmungspflichtig.