Kassenpatienten sollen künftig schneller Arzttermine bekommen

Wenn Ärzte erst Termine in mehreren Wochen vergeben, ärgert das viele
gesetzlich Versicherte - vor allem, wenn es bei Privatpatienten
flotter geht. Die GroKo will dem jetzt entgegenwirken.

Berlin (dpa) - Kassenpatienten in Deutschland sollen künftig
schneller an Arzttermine kommen: durch mehr Sprechstunden,
zusätzliche Vermittlungsangebote und extra Anreize für die Mediziner.
Der Bundestag soll dafür am Donnerstag ein umfassendes Gesetz der
großen Koalition beschließen. So sollen Praxisärzte wöchentlich
mindestens 25 statt 20 Stunden für gesetzlich Versicherte anbieten
müssen. Telefon-Servicestellen zur Terminorganisation für Patienten,
die in den Ländern bisher unterschiedlich arbeiten, sollen zudem zu
einem Rund-um-die-Uhr-Angebot ausgebaut werden. Auch offene
Sprechstunden ohne feste Termine bei bestimmten Ärzten sollen kommen.

Die Verbraucherzentralen begrüßten die Bemühungen, warnten allerdings

auch vor neuen Problemen. Häufig warteten Patienten lange auf einen
Arzttermin, was nervenaufreibend und belastend sein könne - es sei
daher richtig, hier anzusetzen, sagte der Chef des Bundesverbands der
Verbraucherzentralen (vzbv), Klaus Müller, der Deutschen
Presse-Agentur. Künftig könne aber die Höhe des Arzthonorars über
Wartezeiten entscheiden, denn durch geplante zusätzliche Honorare für
neue Patienten hätten bisherige Patienten das Nachsehen. Bereits
jetzt erhielten privat Versicherte viel schneller Termine als
gesetzlich Versicherte. «Nun wird auch zwischen Neu- und
Bestandspatienten unterschieden.»

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte, der Staat müsse in einem
lebenswichtigen Bereich wie der Gesundheitsversorgung funktionieren.
«Da besser zu werden, ist das Ziel unseres Gesetzes.» Für Ärzte sol
l
es als Anreiz daher mehr Geld geben: für die Vermittlung dringender
Termine bei einem Facharzt, für neue Patienten in der Praxis oder für
Leistungen in offenen Sprechstunden. Wenn sie auf dem Land arbeiten,
bekommen Ärzte künftig Zuschläge garantiert. Insgesamt dürften sich

bei den gesetzlichen Krankenkassen jährliche Mehrausgaben zwischen
600 Millionen und 800 Millionen Euro für Arzt-Vergütungen ergeben.

«Ich bin fest davon überzeugt, dass das den Alltag der Patienten
spürbar verbessert», sagte Spahn dem Redaktionsnetzwerk Deutschland
(RND). Er rechne damit, dass die Unterschiede zwischen Kassen- und
Privatpatienten in Zukunft nicht mehr so eine große Rolle spielten.

Die Termin-Servicestellen sollen Patienten ab Anfang 2020 nicht nur
zu Fachärzten vermitteln, sondern auch zu Haus- und Kinderärzten.
Zudem sollen sie bundesweit unter der Telefonnummer 116117 täglich
rund um die Uhr erreichbar sein - und auch online oder über eine App
für Smartphones. Augenärzte, Frauenärzte und HNO-Ärzte sollen pro
Woche fünf Stunden offene Sprechzeit ohne feste Termine einrichten.

Die Krankenkassen werden verpflichtet, für ihre Versicherten bis
spätestens 2021 elektronische Patientenakten anzubieten. Zudem soll
das Bundesgesundheitsministerium 51 Prozent an der bisher von den
Akteuren des Gesundheitswesens getragenen Gematik-Gesellschaft
übernehmen, die sich um die Digitalisierung kümmert. Das Gesetz sieht
daneben auch Ausweitungen der Versorgung vor. Unter anderem sollen
die Festzuschüsse der Kassen für Zahnersatz zum 1. Oktober 2020 von
bisher 50 Prozent auf 60 Prozent steigen. In der Pflege sollen ab 1.
Mai 2019 auch reine Betreuungsdienste zugelassen werden, die zum
Beispiel beim Putzen oder Einkaufen helfen.

Der Chef der Techniker Krankenkasse, Jens Baas, äußerte sich
skeptisch zu Spahns Terminservice- und Versorgungsgesetz. Bei vielen
Aspekten würden sich die spezifischen Folgen für die Versorgung
erst in der Umsetzung zeigen, sagte er der Düsseldorfer
«Rheinischen Post» (Donnerstag). Zudem würden die Verbesserungen die

Versorgung auch teurer machen.