Debatte über Koalitionsbruch: CDU-Spitze bemüht sich um Entschärfung

Die Diskussion über eine vorzeitige Ablösung von Kanzlerin Merkel
durch CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer kommt der Union
ungelegen. Sie setzt zunächst auf ruhiges Regieren. Doch behält die
SPD etwa nach der Europawahl die Nerven?

Berlin (dpa) - Die CDU-Spitze hat sich bemüht, die Debatte über einen
vorzeitigen Wechsel im Kanzleramt und einen damit verbundenen
Koalitionsbruch zu entschärfen. Es gebe keine Äußerung von relevanten

Politikern, die jetzt einen Wechsel an der Regierungsspitze
forderten, sagte CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak am Montag nach
einer Sitzung der engsten Parteispitze in Berlin. FDP-Chef Christian
Lindner schloss dagegen einen Regierungsbeteiligung seiner Partei
auch ohne Neuwahl nicht aus. Zwei Drittel der Deutschen sind gegen
eine vorzeitigen Rücktritt von Kanzlerin Angela Merkel (CDU).

Ziemiak sagte, viele Menschen im Land würden sich wünschen, dass
Sachpolitik betrieben werde, statt eine neue Personaldebatte zu
eröffnen. Die stellvertretende CDU-Chefin Julia Klöckner sagte, die
Frage eines vorzeitigen Wechsels von Merkel zur CDU-Vorsitzenden
Annegret Kramp-Karrenbauer oder einer vorzeitigen Neuwahl stelle sich
nicht. Es gebe einen Koalitionsvertrag, den man abarbeiten müsse.

Kurz vor dem Jahrestag des Vereidigung von vierten Kabinetts Merkel
an diesem Donnerstag hatten in den vergangenen Tagen einzelne
SPD-Politiker mit dem Ende der Regierung gedroht, falls die Union
versuchen sollte, Merkel vor dem Ende der Wahlperiode 2021 durch
CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer zu ersetzen. Am Donnerstag
wollen die Spitzen der drei Parteien wieder zu einem
Koalitionsausschuss zusammenkommen und über aktuelle Streitthemen in
der Regierung reden.

FDP-Chef Lindner sagte zu einer Regierungsbeteiligung seiner Partei
auch ohne Neuwahl: «Bei einem Angebot, das faire Zusammenarbeit und
Profilbildung für jeden der Beteiligten ermöglicht, sind wir dabei.»

Er bezweifele aber, dass ein solches Szenario vor neuen Wahlen
möglich sei. Er rechne eher damit, dass die SPD «mit vielen
Milliarden eingekauft» werden solle, um Kramp-Karrenbauer zur
Kanzlerin zu wählen.

«Wir stehen zur Verfügung, aber wir machen das wie damals an der
Sache fest», sagte Lindner mit Blick auf die Verhandlungen über eine
Jamaika-Koalition aus CDU, CSU, Grünen und FDP, aus denen seine
Partei im November 2017 ausgestiegen war. Ein neuer Anlauf für eine
Jamaika-Koalition ohne Neuwahl dürfte allerdings an den Grünen
scheitern, die im Vergleich zur jüngsten Bundestagswahl in Umfragen
inzwischen sehr viel besser dastehen. Die FDP lag in jüngsten
Umfragen meist zwischen 8 und 10 Prozent.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sagte der «Bild»-Zeitung in
Richtung Sozialdemokraten: «Vertrauen gewinnt man mit guter Arbeit,
nicht mit Diskussionen über das Ende der Koalition und der Flucht aus
der Verantwortung.» Auch die SPD solle die Erfolge der
Regierungsarbeit selbstbewusst vertreten, «anstatt ständig Debatten
über ein frühzeitiges Ende der Koalition anzuzetteln».

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte dem «Münchner Merkur»
(Montag), Debatten über einen Koalitionsbruch kämen «immer nur aus
der SPD». «Die Koalition ist jetzt gerade mal ein Jahr im Amt. Nach
einer Regierungsbildung, die sich so lange hingezogen hat wie nie
zuvor, haben die Bürger Anspruch darauf, dass wir Probleme lösen und
ihr Leben konkret besser machen, statt dauernd taktisch zu
diskutieren.»

Inhaltlich stoßen in der Union vor allem jüngste sozialpolitische
SPD-Versprechen auf Kritik. Die Sozialdemokraten hatten sich etwa für
eine Grundrente ohne Bedürftigkeitsprüfung ausgesprochen. Bei einer
solchen Prüfung würde der Staat untersuchen, ob mögliche Bezieher
dieser Rentenaufwertung eine solche auch wirklich benötigen.

Nach dem am Montag veröffentlichten RTL/n-tv-Trendbarometer wünschen
sich zwei Drittel der Deutschen (67 Prozent), dass Merkel bis zum
Ende der Legislaturperiode im Herbst 2021 regiert. Nur 29 Prozent
wollen, dass Merkel vorzeitig geht. Damit ist der Wunsch, sie als
Kanzlerin zu behalten, seit Februar 2018 um zwölf Prozentpunkte
gestiegen. Wenn Merkel vor Ablauf der Amtszeit zurückträte, wären 56

Prozent für eine vorgezogene Neuwahl. 17 Prozent wären für eine
Koalition aus Union, FDP und Grünen, 12 Prozent würden eine
Fortsetzung der großen Koalition bevorzugen und 8 Prozent plädieren
für eine Minderheitsregierung aus CDU, CSU und Grünen.

Sollte Merkel das Kanzleramt früher aufgeben, wären 39 Prozent für
Kramp-Karrenbauer, 28 Prozent für Friedrich Merz und 33 Prozent für
keinen von beiden als Nachfolger aus den CDU-Reihen.