Drogenersatztherapie fehlen die Ärzte - «Keine Wunschklientel» Von Sandra Trauner, dpa

Methadon unter ärztlicher Aufsicht statt illegaler Drogenkonsum - das
kann für Süchtige die Rettung sein. Aber das Hilfesystem blutet aus.

Frankfurt/Berlin (dpa) - Zehntausende Drogenkranke profitieren von
einer Ersatztherapie mit Medikamenten. Aber immer weniger Mediziner
sind bereit, diese Patienten zu betreuen. Die Drogenbeauftragte der
Bundesregierung, Marlene Mortler (CSU), appelliert jetzt an die
Ärzteschaft: «Substituieren Sie, denn das kann Leben retten!»

«Substitutionstherapie» nennt man die Behandlung von Abhängigen, bei

denen illegale Drogen durch Medikamente wie Methadon ersetzt
(«substituiert») werden. Ziel ist, von den Drogen loszukommen - und
auf dem Weg dahin die gesundheitliche und soziale Situation des
Patienten zu verbessern. Aber das gelingt immer seltener. «Es wird
zunehmend schwerer, Ärzte für die Substitution zu finden», sagt
Oliver Müller-Maar, Experte für Substitution im Frankfurter
Drogenreferat.

Über die Gründe könne man nur spekulieren: In normalen Arztpraxen
seien Drogenabhängige «wahrscheinlich nicht die Wunschpatienten»,
schätzt Müller-Maar. Und in den Spezialambulanzen «fehlen uns heute
die «Überzeugungstäter» von früher». Eine der elf Frankfurter
Spezialambulanzen hat bereits dicht gemacht, weitere könnten folgen,
weil sie kein Personal finden, wenn ein Arzt pensioniert wird. «Die
sind regelrecht verzweifelt», sagte Müller-Maar. Die Zahl der
Patienten ist in der Stadt seit Jahren relativ konstant, sie pendelt
zwischen 1500 und 1700.

Bundesweit sieht es nicht besser aus. Die Zahl der Patienten, die
substituiert werden, ist in Deutschland seit rund zehn Jahren
weitgehend konstant. Wie aus dem aktuellen Bericht zum
Substitutionsregister der Bundesopiumstelle hervorgeht, nahmen 2018
bundesweit 79 400 Patienten an einer Drogenersatztherapie teil.

Ganz anders die Lage bei den Substitutionsärzten. Ihre Zahl sinkt dem
Bericht zufolge seit Jahren: 2585 waren es bundesweit im Jahr 2018 -
150 Mediziner weniger als 2012. Viele dürften substituieren, tun das
aber nicht: Laut Bundesopiumstelle betreuen 14 Prozent der
substituierenden Ärzte die Hälfte aller Drogenpatienten.

In Hessen sind 216 Ärzte für diese Art der Therapie zugelassen. Sie
betreuen laut Bundesopiumstelle 7616 Patienten. In
Nordrhein-Westfalen gibt es mehr als 700 Mediziner, die
substituieren, in Brandenburg nur 14.

Mancherorts müssten Patienten schon heute weite Wege zur Praxis oder
Ambulanz fahren, heißt es in einem «Thesenpapier» der Deutschen
Gesellschaft für Suchtmedizin. In mehreren Regionen gebe es bereits
«weiße Flecken in der Substitutionslandschaft». Nach Schätzung
verschiedener Kassenärztlicher Vereinigungen «könnte Anfang der
2020er Jahre ein Drittel der jetzt Substituierten ohne ärztliche
Behandlung dastehen».

Ende 2017 waren die Regeln für die Ersatztherapie geändert worden.
Dank einer neuen Richtlinie dürfen Ärzte seither Ersatzstoffe für bis

zu 30 Tage zur Einnahme zu Hause verschreiben. Zuvor war das nur für
maximal sieben Tage möglich.

Mit der Reform habe die Bundesregierung «einen wichtigen Beitrag für
eine funktionierende, flächendeckende Substitutionsversorgung im
ganzen Land geleistet», sagte die Drogenbeauftragte Mortler der
Deutschen Presse-Agentur - und schickte eine eindringliche Bitte
hinterher: «Nun sind die Ärzte im ganzen Land gefragt! Vorurteile und
Berührungsängste müssen überwunden werden. Drogenabhängigkeit ist

kein moralisches Vergehen, es ist eine Krankheit. Daher mein Appell:
Substituieren Sie, denn das kann Leben retten!»