DGB-Chef: «Im Koalitionsvertrag steckt noch genug Substanz»

Viele Menschen in Deutschland halten wenig von ihrer Regierung - der
oberste Gewerkschafter des Landes sieht das anders. Er will noch mehr
von der Koalition sehen.

Berlin (dpa) - Rund ein Jahr nach Amtsantritt der Bundesregierung hat
DGB-Chef Reiner Hoffmann die Koalition zu entschlossenem Weitermachen
aufgefordert. «Im Koalitionsvertrag steckt noch genug Substanz»,
sagte Hoffmann der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. «Die Koalition
sollte ermutigt werden, ihre Projekte beherzt anzugehen.»

Die bisherige Bilanz sei nicht schlecht. «Auch wenn der Zustand der
Koalition in der öffentlichen Wahrnehmung suboptimal ist: Sie hat
eine ganze Reihe substanzieller Maßnahmen auf den Weg gebracht»,
sagte Hoffmann.

So hätten sich die Arbeitgeber lange dagegen gewehrt, dass die
Krankenversicherung wieder zu gleichen Teilen von ihnen und den
Arbeitnehmer finanziert werde, sagte er. «Heute gilt diese Parität
wieder.» Weitere Erfolge seien die Stabilisierung des Rentenniveaus
bei 48 Prozent, das Recht auf befristete Teilzeit, mehr
Qualifizierungsmöglichkeiten für Arbeitnehmer sowie Verbesserungen
für Pflegekräfte.

Nun forderte Hoffmann die Koalition unter anderem auf, die Grundrente
nach dem Konzept von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) umzusetzen.
Das erste Projekt aus dem Koalitionsvertrag, das nun noch kommen
sollte, sei aber die Stärkung der Tarifbindung. «Die Nachwirkung von
Tarifverträgen sollte verlängert werden», forderte Hoffmann dazu.

Das bedeutet, dass Tarifverträge länger weiter gelten sollten, wenn
etwa ein Unternehmen Betriebsteile in Tochtergesellschaften
auslagert. Zudem forderte der DGB-Chef mehr Möglichkeiten,
Tarifverträge für allgemeinverbindlich zu erklären - sowie ein
Bundestariftreuegesetz. Dadurch würden Auftragnehmer öffentlicher
Vergaben zu tariflichen Bedingungen verpflichtet.

«Dann muss wie versprochen der Missbrauch von Befristungen beendet
werden», sagte er. «Vor einem Junktim mit der Flexibilisierung der
Arbeitszeit kann ich nur warnen», sagte er zu entsprechenden
Äußerungen aus der Union, beide Themen zu verknüpfen. Hoffmann
argumentierte: «Die Arbeitszeit ist nicht starr.» Es gebe bis zu 100
verschiedene Arbeitszeitarrangements in Betrieben mit Tarifverträgen
und Betriebsräten.

«Wenn wir aber wollen, dass die Menschen Arbeit und Familie besser
vereinbaren können, brauchen wir ein Recht auf Homeoffice», so der
DGB-Vorsitzende. Dabei gelte es sicherzustellen, dass Arbeitszeit
entlohnt und vor Überforderungen geschützt werde.