Sexueller Kindesmissbrauch in DDR länger tabuisiert als im Westen

Berlin (dpa) - Sexueller Kindesmissbrauch in der DDR ist nach einer
neuen Fallstudie nicht nur stärker, sondern auch erheblich länger
tabuisiert gewesen als in Westdeutschland. Nach ersten Studien aus
archiviertem Material in früheren Jahren hätten das nun auch
persönliche Erinnerungen von rund 100 Männern und Frauen in einer
neuen Fallstudie bestätigt, teilte die Unabhängige Kommission zur
Aufarbeitung sexuellen Kindesmissbrauchs am Mittwoch in Berlin mit.
Die für die Fallstudie Befragten hätten als Kinder und Jugendliche
selbst sexuelle Übergriffe erlebt. Die Untersuchung sei damit nicht
repräsentativ, werfe aber Schlaglichter auf ein dunkles DDR-Kapitel.

Mädchen erlitten nach der neuen Studie Missbrauch häufiger in ihrer
eigenen Familie, Jungen eher in Heimen wie den Jugendwerkhöfen.
Dokumentiert seien auch Fälle, bei denen Kinder für sexuelle
Dienstleistungen organisiert verkauft worden seien, berichtete
Forscherin Cornelia Wustmann, Professorin für soziale Beziehungen an
der Technischen Universität Dresden.

Viele Betroffene litten bis heute unter der Folgen des Missbrauchs,
hieß es. Sie fordern deshalb einen Fonds beim
Bundesfamilienministerium, der das ihnen zugefügte Leid offiziell
anerkennt und zum Beispiel für Therapien aufkommt.