Spahn: Verfassungspatriotismus reicht nicht für Integration

Reicht es für die Integration von Migranten, das Grundgesetz zu
akzeptieren? Der Gesundheitsminister meint: Nein. Ex-Grünen-Chef
Özdemir warnt vor einer neuen Leitkultur-Debatte.

Berlin (dpa) - Bundesgesundheitsminister Jens Spahn bezweifelt, dass
es für eine gelungene Integration von Migranten ausreicht, wenn diese
gut Deutsch sprechen, Arbeit haben und sich zum Grundgesetz bekennen.
«Verfassungspatriotismus alleine reicht (...) nicht», sagte der
Christdemokrat in der «Welt am Sonntag». Es gebe auch Deutsch
sprechende Migranten mit gutem Job, die trotzdem «zu Ehren Erdogans
die türkische Fahne schwenken». Die eigentliche Frage laute: «Wie
gehen wir miteinander um? Haben wir Respekt vor dem anderen? Leben
wir die Werte dieser Gesellschaft? Verständnis, Mitmenschlichkeit,
Hilfsbereitschaft, Leistungsbereitschaft, ehrenamtliches Engagement.»

Spahn äußerte sich im Rahmen eines Streitgesprächs mit dem ehemaligen

Grünen-Vorsitzenden Cem Özdemir. Dieser entgegnete: «Es muss
objektivierbare Kriterien geben, und das muss und kann nur unsere
Verfassung sein.» Der Bundestagsabgeordnete warnte vor der «alten
Leitkulturdebatte»: «Das führt doch zu nichts Substanziellem.»

Am Bau von Moscheen in Deutschland stört sich nach einer Umfrage
jeder vierte junge Mensch. Der Aussage «Mich stört es, dass immer
mehr Moscheen in Deutschland gebaut werden» stimmten in der
Online-Erhebung des Forsa-Instituts 24 Prozent der Befragten im Alter
zwischen 16 und 25 Jahren zu. Die Befragung im Auftrag der FDP-nahen
Friedrich-Naumann-Stiftung liegt der Deutschen Presse-Agentur vor.

Etwa jeder zweite Jugendliche und junge Erwachsene meint, man könne
zu Themen wie Zuwanderung oder Islam bestimmte Meinungen nicht offen
vertreten, ohne als rechts oder rechtsradikal abgestempelt zu werden.
Im Osten wie im Westen sind 51 Prozent der Befragten dieser Meinung -
Männer und Menschen mit niedrigeren Schulabschlüssen häufiger als
Frauen oder höher Gebildete.

Spahn ließ Skepsis erkennen zu der Formulierung des früheren
Bundespräsidenten Christian Wulff «Der Islam gehört zu Deutschland»
.
Er fragte, «ob der deutsche Rechtsstaat, die Gewaltenteilung, die
Gleichberechtigung von Mann und Frau, die Minderheitenrechte oder die
Religionsfreiheit zu jeder hier gelebten Glaubensrichtung des Islam
gehören». Und weiter: «Wird das in allen Moscheegemeinden und in der

Predigt am Freitag unterstützt? Ich glaube nicht.»

Özdemir verwies auf Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der
Wulffs Satz mit der Frage «Welcher Islam?» präzisiert habe. Die
«übergroße Mehrheit der Muslime» in Deutschland wolle keinen
salafistischen Islam, sagte er. «Sie sind froh, dass sie hier viel
mehr Rechte genießen als in den Ländern, aus denen sie oder ihre
Vorfahren kommen.»