Aufkündigung von INF-Vertrag rückt Fliegerhorst Büchel in den Fokus Von Jens Albes und Thomas Frey , dpa

Die mutmaßlich letzten US-Atombomben in Deutschland haben lange als
Relikte des Kalten Krieges gegolten. Nun könnten die Demos in der
Eifel Rückenwind bekommen. Die Debatte über Mittelstreckenraketen in
Europa ist wieder entbrannt.

Büchel (dpa) - Die USA haben den INF-Abrüstungsvertrag für atomar
bestückbare Mittelstreckenwaffen gekündigt, Russland hat ihn
ausgesetzt. Das weckt in der abgelegenen Eifel neue Befürchtungen:
Auf einem Bundeswehr-Fliegerhorst in der Nähe der Gemeinde Büchel
liegen nach unbestätigten Informationen die letzten US-Atombomben in
Deutschland. Rund 20 sollen es sein, mit jeweils der vierfachen
Sprengkraft der Bombe von Hiroshima. Im Ernstfall soll die deutsche
Luftwaffe sie abwerfen. Die Proteste dagegen könnten in diesem Sommer
stärker als im Vorjahr werden.

«Die Vorstellung macht mir große Sorgen, dass wir Zielgebiet werden
könnten», sagt der Friedensaktivist Rüdiger Lancelle aus dem nahen
Cochem. «Bisher waren wir das wegen des INF-Vertrags zumindest
offiziell nicht.» Die Vermutung von Experten, dass die Atombomben in
Spezialbunkern auf dem Fliegerhorst Büchel in den kommenden Jahren
durch modernere ersetzt werden könnten, werde wahrscheinlicher. «Es
ist menschenverachtend, dass Menschen solche Bomben bauen»,
kritisiert der 79-jährige evangelische Laienprediger. Seine nächsten
Worte gehen unter im ohrenbetäubenden Lärm eines startenden
«Tornado»-Kampfflugzeugs.

Elke Koller, Apothekerin im Ruhestand, sagt mit Blick auf Russlands
angekündigte neue Raketen, der Fliegerhorst könnte bei einem
militärischen Konflikt zwischen Washington und Moskau zu den ersten
Zielen zählen: Büchel und der US-Militärflughafen Ramstein in der
Pfalz rückten mehr in die Gefahrenzone. Die 76-jährige
Friedensaktivistin aus Leienkaul in der Eifel ergänzt: «Am 22. April
organisiere ich in Büchel den Ostermarsch.» Auch in diesem Jahr gibt
es demnach wieder einen 20-wöchigen Protest gegen die vermuteten
US-Atomwaffen in dem Fliegerhorst.

Friedensaktivisten in Baden-Württemberg kündigten begleitend zur
Europawahl im Mai die «schnellste Friedensdemonstration in Europa»
an: einen 828 Kilometer langen Radmarathon mit Zwischenstopp unter
anderem in Büchel.

Ehrenamtlicher Bürgermeister dieses 1240-Seelen-Dorfes ist Willi
Rademacher. Der Ex-Bundeswehrsoldat sagt: «Die Atomwaffen hier haben
möglicherweise mit dafür gesorgt, dass die beiden Blöcke im Kalten
Krieg jahrzehntelang friedlich gelebt haben.» Verantwortlich für die
Waffen in Büchel seien Demokratien. «Wären sie in den Händen einer

Diktatur, würde ich anders argumentieren», erklärt der 63-Jährige.

Die Atomwaffen würden hoffentlich nie eingesetzt - und es sei gut,
dass gegen sie demonstriert werden könne. «Andererseits sterben jeden
Tag woanders auf der Welt Menschen in illegalen Kriegen, an denen
auch der Westen beteiligt ist - dagegen wird nicht demonstriert.» Der
Militärflugplatz Büchel ist mit rund 2000 Beschäftigten der größt
e
Arbeitgeber in der strukturschwachen Region.

Deutsche und US-Streitkräfte, Bundesregierung und
rheinland-pfälzische Landesregierung äußern sich offiziell nicht zu
den in Büchel vermuteten Atomwaffen. Das dortige Taktische
Luftwaffengeschwader 33, der größte «Tornado»-Verband der Luftwaffe
,
nennt generell «Luftangriff» als seinen primären Auftrag: «Mit
verschiedensten Wirkmitteln ist der Verband in der Lage, unter
anderem Luftnahunterstützung für Bodentruppen zu leisten und harte,
tiefe und weit entfernte Ziele zu bekämpfen.»

Bis vor kurzem ist der Fliegerhorst nur mit einem relativ leicht zu
überwindenden Zaun umgeben gewesen. Immer wieder sind Demonstranten
auf das Gelände eingedrungen, immer wieder ist es deshalb zu
Gerichtsverfahren in Cochem und Koblenz gekommen. Mittlerweile
umzieht ein zweiter, höherer Zaun mit Nato-Draht das Gelände. Laut
Lancelle nur vorübergehend: Danach komme für Millionen ein noch
besserer Zaun.