Überarbeiteter Abtreibungs-Paragraf 219a im Kabinett

Schwangere sollen sich künftig leichter über Abtreibungen informieren
können, doch Werbung dafür bleibt verboten. Die Lösung der Koalition

kommt nun vors Kabinett - und erntet viel Kritik.

Berlin (dpa) - Der mühsam gefundene Kompromiss zum sogenannten
Werbeverbot für Abtreibungen soll am Mittwoch (9.30 Uhr) vom Kabinett
gebilligt werden. Die Vereinbarung von Union und SPD sieht vor, dass
sich Schwangere leichter als bisher über die Möglichkeiten einer
Abtreibung informieren können. So dürfen Ärzte und Kliniken über di
e
Tatsache informieren, dass sie Schwangerschaftsabbrüche durchführen.

Für weitergehende Informationen müssen sie allerdings auf Behörden,
Beratungsstellen und Ärztekammern verweisen. Dort sollen auch
zentrale Listen mit Ärzten und Krankenhäusern geführt werden, an die

sich die Schwangeren wenden können.

Der umstrittene Paragraf 219a, der «Werbung» für Abtreibungen unter
Strafe stellt, bleibt nach dem Kompromiss bestehen, wird jedoch um
die neuen Informationsmöglichkeiten ergänzt.

Die SPD und Oppositionsparteien wollten den Paragrafen eigentlich
ganz aus dem Strafgesetzbuch streichen. Doch CDU und CSU lehnten ab.
Künftig sollen auch Verhütungspillen bis zum 22. Geburtstag der
Frauen von der Krankenkasse bezahlt werden und nicht - wie bisher -
bis zum 20. Geburtstag.

Die Bundesärztekammer findet den Kompromiss «tragfähig», er schaffe

Rechtssicherheit. Präsident Frank Ulrich Montgomery sagte zuletzt,
der überarbeitete Paragraf helfe Frauen in Notlagen und behandelnden
Ärzten. Ähnlich äußerten sich der Berufsverband der Frauenärzte u
nd
die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie.

Dagegen kritisierten Grüne, FDP und Linke, dass Ärzte Schwangere
weiter nicht frei informieren dürften. Das findet auch die Gießener
Frauenärztin Kristina Hänel, die verurteilt worden war, weil sie auf
ihrer Internetseite Schwangerschaftsabbrüche als Leistung aufgeführt
hatte.

Die bereitgestellten Informationen wären auch künftig strafbar, sagte
Hänel. Auch stehe hinter dem Paragrafen ein Frauenbild, das
impliziere, Frauen könnten durch Informationen für einen
Schwangerschaftsabbruch angeworben werden. Dies stigmatisiere und
tabuisiere. Außerdem kriminalisiere es Fachleute.

Auch in der SPD gibt es Unmut über den Kompromiss. Die
Bundesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer
Frauen, die Europaabgeordnete Maria Noichl, sagte der «Passauer Neuen
Presse» (Mittwoch): Die Reform des Strafrechtsparagrafen 219a bedeute
nach wie vor «eine Gängelung von Frauen, Ärztinnen und Ärzten».
«Natürlich wird es in der Bundestagsfraktion Gegenstimmen geben, da
bin ich mir sicher», so Noichl. Die SPD-Linke Hilde Mattheis kündigte
dem Bericht zufolge bereits ihr Nein im Bundestag an: «Ich habe mich
in dieser Frage immer klar positioniert: Politik sollte sich an der
Mehrheit ausrichten. Und die Mehrheit sind nun mal Frauen», sagte sie
der Zeitung.