Beruhigendes Lachen: Neue Methode für Wach-OPs am Hirn

Lachen ist die beste Medizin. Diese Redewendung haben US-Ärzte
wörtlich genommen. Während einer Hirn-OP brachten sie eine Patientin
mit elektrischen Impulsen zum Grinsen. Um sie zu beruhigen.

Atlanta (dpa) - Per Hirnstimulation hervorgerufene gute Laune könnte
Patienten während einer Operation am offenen Gehirn beruhigen. Das
legt zumindest eine Studie im «Journal of Clinical Investigation»
nahe. Mediziner der Universität Emory in Atlanta (US-Bundesstaat
Georgia) fanden heraus, dass die Stimulation einer bestimmten Region
im Hirn sofortiges Gelächter beim Patienten auslöst, gefolgt von
einem Gefühl der Ruhe und des Glücks. Die Wissenschaftler hoffen nun,
mit dieser Methode künftig Patienten beruhigen zu können, die während

einer Hirn-OP wach sein müssen. Ein deutscher Fachmann ist jedoch
skeptisch, ob sich der Ansatz durchsetzt.

Es gibt chirurgische Eingriffe am Gehirn, die es erforderlich machen,
dass der Patient bei Bewusstsein ist, beispielsweise wenn ein
Hirntumor entfernt wird, der sich sehr nah am Seh- oder Sprachzentrum
befindet. Bei einem wachen Patienten können die entsprechenden
Funktionen während der Operation durch Sehtests und Sprachaufgaben
kontinuierlich abgefragt und überwacht werden.

Allerdings bedeuten derartige Eingriffe nicht selten besonderen
Stress: «Sogar gut vorbereitete Patienten können während einer
Wachoperation in Panik geraten, was gefährlich werden kann», sagt
Neurochirurgin Kelly Bijanki, Hauptautorin der Studie, laut einer
Mitteilung.

Die Wissenschaftler berichten von einer 23-jährigen
Epilepsie-Patientin, die unter Angstzuständen und depressiven Phasen
litt und ihre Anfälle in der Uniklinik kontrollieren ließ. Für diese

Kontrolle werden in einem ersten Eingriff Elektroden im Hirn
angebracht. Sie sollen anzeigen, welche Hirnareale einen
epileptischen Anfall auslösen. Während dieses Monitorings
stimulierten die Mediziner nun mit elektrischen Impulsen die
Gürtelwindung (Gyrus cinguli) der Frau. Die Gürtelwindung gehört zum

limbischen System. Diese Funktionseinheit des Gehirns ist für die
Verarbeitung von Emotionen zentral.

Als die Neurochirurgen einen bestimmten Teil reizten, zeigte die
Patientin ein fröhliches, entspanntes Verhalten. In einem Video ist
zu sehen, dass die Frau nicht in der Lage ist, ein finsteres Gesicht
zu machen oder nicht zu lächeln - selbst, als die Mediziner sie dazu
auffordern, sich an eine traurige Situation zu erinnern. Sie erklärt
kichernd: «Das fühlt sich einfach nur gut an.»

Der beobachtete Effekt wurde dann benutzt, um die Patientin bei einer
zwei Tage später durchgeführten Operation zu beruhigen. Bei solchen
OPs bekommt der Patient zunächst eine Narkose, so dass er vom Öffnen
des Schädels nichts mitbekommt. Nach dem Erwachen geriet die Frau
zwar zunächst in Panik: «Als wir ihre Cingulum-Stimulation
anstellten, berichtete sie aber sofort, dass sie sich glücklich und
entspannt fühlte. Sie erzählte Witze über ihre Familie und konnte die

Wachprozedur erfolgreich tolerieren», führt Bijanki aus.

Im Fachartikel wird zudem berichtet, dass die Stimulation während des
Eingriffs unbeabsichtigt unterbrochen worden war: Die Patientin wurde
daraufhin nervös und ängstlich und war den Tränen nahe. Nach
Wiederanstellen der Stimulation ebbten ihre Angstgefühle schnell
wieder ab und kurz darauf kehrte auch ihre Fröhlichkeit zurück.
Diese Reaktion bestätigten auch Versuche mit zwei weiteren
Epilepsie-Patienten.

Für Walter Stummer, Direktor der Klinik für Neurochirurgie am
Universitätsklinikum Münster und Vorstandsmitglied der Deutschen
Gesellschaft für Neurochirurgie (DGNC), sind die Befunde zwar
interessant. «Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob der Aufwand den
Nutzen rechtfertigt.» So sei eine zweite Operation neben dem
eigentlichen Eingriff nötig, um die Elektrode zu platzieren.

Hierbei werde der Kopf des Patienten in einen Rahmen eingespannt, der
ein Koordinatensystem vorgebe. Dann müsse die richtige Stelle für die
Elektrode gefunden werden. «Insgesamt sind die Risiken eines
derartigen Eingriffs gering. Er erfordert aber Spezialkenntnisse und
ein großes, interdisziplinäres Team aus Neurochirurgie, Neurologie
und Neurophysiologie», führt Stummer aus, der nicht an der Studie
beteiligt war.

Mit weniger Aufwand wäre die Stimulation der Gürtelwindung
tatsächlich eine hilfreiche zusätzliche Maßnahme. Zum einen könnte

man dadurch besonders ängstliche Patienten beruhigen. Zum anderen
würden die teils sehr langen Wachoperationen, bei denen die Patienten
kontinuierlich Aufgaben lösen müssen, vermutlich für diese
erträglicher. Insgesamt verfüge die Neurochirurgie aber mittlerweile
über sehr gute Medikamente und Behandlungsweisen, um auch mit
ängstlichen Patienten umzugehen. Stummer fasst daher zusammen:
«Angesichts der ausgefeilten Methoden, die wir schon haben, bin ich
skeptisch, ob sich das durchsetzen wird.»