Krebsforschungszentrum spricht vom «Tsunami» an Krebserkrankungen

Er war nicht da, aber in aller Munde: Jens Spahn mit seiner
umstrittenen Prognose zum raschen Sieg über den Krebs liefert beim
Heidelberger Krebsforschungskongress Gesprächsstoff. Seine Äußerungen

kommen nicht gut an.

Heidelberg (dpa/lsw) - Krebserkrankungen werden in Deutschland in den
nächsten Jahren erheblich zunehmen: Angesichts von bereits 500 000
Neuerkrankungen pro Jahr in Deutschland könne man von einem «Tsunami»

sprechen, sagte Michael Baumann, Chef des Deutschen
Krebsforschungszentrums (DKFZ), am Montag in Heidelberg. Gemeinsam
mit allen Beteiligten gelte es, das Menschenmögliche zu unternehmen -
von Prävention über Früherkennung bis zum Nutzen künstlicher
Intelligenz. Damit solle der Krankheit Paroli geboten werden. Krebs
ist die zweithäufigste Todesursache in Deutschland. Baumann betonte:
«Wir werden Krebs nicht in zehn Jahren beseitigen können.» Damit
reagierte er auf die Prognose von Bundesgesundheitsminister Jens
Spahn (CDU), Krebs könne in 10 bis 20 Jahren besiegt werden.

Im Jahr 2016 starben insgesamt 125 128 Männer und 105 597 Frauen an
einer Krebserkrankung, wie das Statistische Bundesamt mitteilte.

Auch Baden-Württembergs Wissenschaftsministerin Theresia Bauer
(Grüne) erteilte Spahn eine Absage: «Ich halte nichts von solchen
vollmundigen Ankündigungen.» Äußerungen wie diese führten nur zu

Enttäuschungen. Sie könne die Ungeduld verstehen, aber man dürfe den

Menschen keinen Sand in die Augen reiben. Damit werde ein
grundlegender Vertrauensverlust in Wissenschaft und Politik riskiert.
Zwar werde es relevante Fortschritte in der Krebsbekämpfung in den
nächsten Jahren geben. «Aber damit wird sich das Thema nicht erledigt
haben», sagte Bauer bei der Veranstaltung, zu der sich 500 Teilnehmer
angemeldet hatten.

Die Deutsche Krebsgesellschaft, die Deutsche Krebshilfe und das
DKFZ richteten den Krebsforschungskongress (DKFK) gemeinsam aus - als
erste Maßnahme der «Dekade gegen Krebs». Ziel ist unter anderem, ein

Netzwerk entstehen zu lassen, dem neben Forschenden, und Ärzten auch
Pflegende, Gesundheitswirtschaft sowie Patienten angehören. Letztere
liegen Bundeswissenschaftsministerin Anja Karliczek (CDU) besonders
am Herzen. Patienten müssten stärker in die Krebsforschung einbezogen
werden, sagte sie. «Patienten eine Stimme in der Forschung zu geben -
das ist mir ein wichtiges Anliegen.» Antworten auf Fragen wie: «Was
hat Ihnen besonders geholfen? Was war belastend?» müssten
systematisch erfasst und verglichen werden, um die besten Therapien
zu entwickeln. Diese müssten Patienten überall, auch auf dem Land,
zugänglich sein. «Hier müssen wir besser werden», sagte die
Christdemokratin.

Das DKFZ hat seit dem vergangenem Jahr einen 15-köpfigen
Forschungsbeirat, in dem ehemalige Krebspatienten vertreten sind.
Menschen mit solchen Erfahrungen sollen in Forschungsprojekte
eingebunden werden.

Neben dem Leid der Betroffenen sieht Ministerin Karliczek auch
Fakten, die nach ihren Angaben Mut machen: Rund ein Drittel aller
Krebsfälle wäre vermeidbar, immer weniger Krebskranke sterben an der
Krankheit und die Forschung erzielt Durchbrüche auch dank neuer
digitaler Möglichkeiten. Nicht zu vergessen die
Vorsorgeuntersuchungen: 180 000 Krebserkrankungen habe das
Darmkrebs-Screening allein in den ersten zehn Jahren verhindert.
Karliczek fügte hinzu: «Nicht rauchen, sich gesund ernähren, sich
bewegen, sich gegen die Sonne schützen - wer das macht, der hat
seinen persönlichen Kampf gegen Krebs schon begonnen.»