Umstrittene Regelung zur Kürzung von NS-Opferrenten aufgehoben

Als ein früherer KZ-Häftling stirbt, soll sein Sohn 4000 Euro an
NS-Opferrente zurückzahlen, weil ein Heim-Umzug nicht rechtzeitig
mitgeteilt wurde. Denn ab diesem Zeitpunkt fallen die Zahlungen
bisher niedriger aus. Die umstrittene Praxis wird nun abgeschafft.

Berlin (dpa) - Die Bundesregierung hat Opfern des Nationalsozialismus
bei einem Umzug in ein Alten- oder Pflegeheim bisher die Opferrente
gekürzt - das Finanzministerium hat diese umstrittene Regelung nun
aufgehoben. Alle Berechtigten, die seit Januar in ein Heim umgezogen
sind, «erhalten weiterhin Leistungen in der Höhe, die sie zum
Zeitpunkt des Umzugs erhalten haben», heißt es in der
Durchführungsanordnung. Sie richtet sich an die für die Zahlungen
zuständige Generalzolldirektion Köln und liegt der Deutschen
Presse-Agentur vor. Das Ministerium hatte bisher argumentiert, dass
bei einem Heimumzug der finanzielle Bedarf der NS-Opfer sinkt, weil
andere Einrichtungen hinzutreten, die Kosten übernehmen.

Nun sind mindestens 415 Euro im Monat zu zahlen. Für Berechtigte, die

vor 2019 in einen Heim umgezogen sind, gilt die Neuregelung mit
Wirkung ab Jahresbeginn. Die Kürzungsregelung war unter
Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) durch eine Änderung bei den
Härtefallrichtlinien des Allgemeinen Kriegsfolgengesetzes (AKG)
eingeführt worden - die Linke hatte den amtierenden Minister
Olaf Scholz (SPD) aufgerufen, die jahrelang kaum bekannte Praxis zu
ändern.

Auslöser der Debatte war der Fall des Wehrmachtsdeserteurs und
Friedensaktivisten Ludwig Baumann, der am 5. Juli 2018 in Bremen
verstorben war. Weil er offensichtlich zu spät den Umzug in ein
Pflegeheim gemeldet hatte, erhielt sein Sohn nach dem Tod eine
Rückzahlungsforderung über rund 4000 Euro. Baumann, der wegen
Kriegsverrats erst zum Tode verurteilt und dann in ein KZ gekommen
war, bezog seit 1993 Opferrente. 2017 zog der Träger des Aachener
Friedenspreises in ein Heim - statt 660 Euro wurden ihm nur noch 352
Euro «Heimtaschengeld» bewilligt.

Laut Bundesregierung gibt es aktuell noch 26 Fälle, auf die die
Neuregelung zutrifft - somit geht es um recht geringe Summen. Der
Parlamentsgeschäftsführer der Linksfraktion, Jan Korte, sagte der
dpa, der Vorstoß des Finanzministeriums sei ein wichtiger Schritt in
die richtige Richtung. «Er war allerdings längst überfällig, um die

beschämende und diskriminierende Kürzung der Härteleistung für die

wenigen noch lebenden Opfer zu beenden.» Die Änderung sei auch das
Resultat der Proteste der Bundesvereinigung der Opfer der
NS-Militärjustiz sowie eines entsprechenden Linken-Antrags. Notwendig
sei aber statt 415 Euro eine Zahlung von mindestens rund 540 Euro im
Monat, so Korte. Die Linke will das im Bundestag durchsetzen.

Die Gesamtaufwendungen für NS-Opferrenten und Entschädigungen an
Euthanisieopfer oder Zwangssterilisierte betrugen 2017 rund 733 000
Euro. Die durchschnittliche Leistung betrug rund 600 Euro monatlich.

Im Bundestag wurde am Donnerstag der Opfer des Nationalsozialismus
gedacht. Der Holocaust-Überlebende Saul Friedländer warnte dabei vor
der Rückkehr von Nationalismus, Verschwörungstheorien und Judenhass.

«Antisemitismus ist nur eine der Geißeln, von denen jetzt eine Nation
nach der anderen schleichend befallen wird», sagte der israelische
Historiker vor dem Bundestag. Anlass war die Befreiung des deutschen
Konzentrationslagers Auschwitz durch sowjetische Truppen am 27.
Januar 1945.