Strauß und Mosi unterm Skalpell - Rechtsmediziner Eisenmenger wird 75 Von Sabine Dobel, dpa

Manchen Prominenten lernte er erst posthum kennen: Wolfgang
Eisenmenger obduzierte Franz Josef Strauß und Rudolph Moshammer. Nun
wird der Münchner Rechtsmediziner 75. Sein Wort ist weiter gefragt -
in kniffeligen Fällen vor Gericht und in Ethikfragen.

München (dpa) - Gerade hat Wolfgang Eisenmenger verhindert, dass an
dem Tisch, auf dem früher Leichen seziert wurden, zahlende Gäste
speisen. Ein Gastronom wollte den schwarzem Marmortisch für sein
Restaurant kaufen. «Wer kommt denn auf so eine Idee, dass man an
einem solchen Tisch Gäste beherbergen könnte», sagt Eisenmenger, der

an dem Tisch seinerzeit den ermordeten Schauspieler Walter Sedlmayr
obduziert hatte. «Das schickt einem das kalte Grausen durch den
Körper. Wir haben das natürlich abgelehnt.»

Eisenmengers frühere Arbeit kann Außenstehende in der Tat schaudern
lassen. Mehr als 20 000 Tote hat der frühere Leiter des Instituts für
Rechtsmedizin der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU) im
Laufe seiner Karriere obduziert. Unter ihnen waren der CSU-Politiker
Franz Josef Strauß und der Modezar Rudolph Moshammer. Auch im Fall
des Nazis Rudolf Heß und bei Lady Di war er an Untersuchungen
beteiligt. Am Montag wird Eisenmenger 75 Jahre alt.

Immer wieder hatte er spektakuläre Fälle. Nach dem Tod von Strauß
1988 wurde er nach Regensburg gerufen. Mit der Obduktion sollte er
unter anderem klären, ob der Grund für den Zusammenbruch des
CSU-Politikers eine Fischvergiftung sein könnte. Aber Strauß starb
schlicht an den Folgen eines Herzinfarktes.

Nach dem Unfalltod von Lady Di und deren Freund Dodi Al-Fayed in
Paris engagierte dessen Vater Experten, unter ihnen Eisenmenger, um
die offiziellen Untersuchungen zu überprüfen. Für Angehörige des
Hitlerstellvertreters Rudolf Heß kontrollierten Eisenmenger und sein
Team, ob dieser wirklich Suizid begangen hatte. «Die Familie wollte
wissen, ob das stimmt. Wir haben eine Nachdiagnose vorgenommen.»

Jahrzehnte über Leichen gebeugt, mit dem Skalpell in der Hand - wie
hält man das aus? «Man wächst in so eine Situation hinein. Dann fäl
lt
einem gar nicht mehr auf, was für andere erschreckend ist.» Der
Seziertisch fehlt ihm aber nicht. «Irgendwann ist man froh, wenn man
diesen Part der Rechtsmedizin nicht mehr zu vertreten hat.»

Inzwischen kümmert sich der emeritierte Hochschullehrer vor allem um
Ethikfragen: Seit 2010 leitet er die Ethikkommission der
medizinischen Fakultät an der LMU. Die Möglichkeiten weiten sich -
damit häufen sich Fragen nach ethischen Grenzen. Eingriffe ins Erbgut
über die Genschere Crispr, wie in China an Embryonen vollzogen, sind
zwar in Deutschland verboten. Doch die Frage, in welchen Fällen das
Instrument bei schwer kranken Patienten angewendet werden darf,
beschäftigt auch Eisenmenger und sein Team.

Regelmäßig sitzt er zudem in Gerichtssälen und erstattet Gutachten,
etwa zur Schuldfähigkeit unter Alkohol oder zu Folgen von Fußtritten
gegen den Kopf. Irgendwann wird er selbst einmal auf dem
Edelstahltisch in den weiß gekachelten Kellerräumen der Rechtsmedizin
liegen: Er hat seine Leiche schon jetzt zu diesem Zwecke vermacht -
vor allem, «um Vorurteile gegen die Sektion abzubauen».