Neuer «Ostblick»: CDU und SPD wollen AfD trotzen

Bei den Landtagswahlen in Sachsen, Brandenburg und Thüringen könnte
die AfD deutlich hinzugewinnen. CDU wie SPD stehen vor schwierigen
Wahlkämpfen. Eigentlich regieren sie gemeinsam im Bund - beide
Parteien beklagen nun Missstände und planen eigene Ost-Offensiven.

Berlin (dpa) - Die Spitzen von CDU und SPD haben knapp 30 Jahre nach
dem Mauerfall einen stärkeren Einsatz für bessere Lebensverhältnisse

in Ostdeutschland angekündigt. Beide Parteien beschlossen dazu am
Montag jeweils eigene Konzepte in Präsidium und Vorstand. CDU wie SPD
können sich mehr Bundesbehörden im Osten vorstellen, sowie neue
Forschungseinrichtungen, bessere Nahverkehrs- und Bahnangebote gerade
für strukturschwache Gegenden, ebenso mehr Arzt- und Pflegeangebote.
Die SPD pocht zudem auf Verbesserungen bei Renten und Bezahlung, auch
die CDU unterstützt etwa eine höhere Grundrente für Geringverdiener.


«Wir haben de facto seit fast 30 Jahren eine Rentenmauer in
Deutschland und wir haben eine Tarifmauer», sagte Brandenburgs
Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) am Montag in Berlin. Die SPD
strebt eine Rentenangleichung zwischen Ost und West vor 2025 an.
Menschen in Ostdeutschland müssten zudem länger arbeiten, verdienten
aber bis zu 20 Prozent weniger, sagte Woidke.

Die weitgehend flächendeckende Strukturschwäche in den ostdeutschen
Ländern müsse bei der Ausstattung mit Fördermitteln berücksichtigt

werden, zitierte der thüringische CDU-Landeschef Mike Mohring aus
einem Beschluss der CDU-Spitze zur West-Ost-Angleichung. CDU wie SPD
beschlossen ihre Papiere jeweils einstimmig. Einiges könnte auch im
Rahmen der großen Koalition umgesetzt werden. So soll aus Sicht der
SPD der Osten soll zur «Innovationsschmiede» werden, etwa bei der
Elektromobilität und neuen digitalen Forschungszentren.

Woidke bezeichnete die Einigung der Kohlekommission mit einer
gezielten Investitionsoffensive für die vom bis 2038 geplanten Ende
der Kohleverstromung betroffenen Regionen dafür als «Blaupause». CDU

und SPD wollen vor der Europawahl Ende Mai und den Wahlen in Sachsen,
Brandenburg und Thüringen im September und Oktober gegen ein weiteres
Erstarken der rechtspopulistischen AfD sowie der Linkspartei angehen
- allerdings wirkt die «Ost-Offensive» auch ein Stück weit wie
Selbstkritik. Regiert doch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) seit über 13
Jahren und die SPD ist an allen Regierungen im Osten beteiligt.

Ein zentrales Versprechen ist auch ein flächendeckender
Internet-Ausbau. «Viele Regionen Ostdeutschlands haben mit
Abwanderung und Überalterung zu kämpfen. Im Lohngefüge und bei den
Renteneinkommen bestehen Unterschiede fort», lautet die kritische
Bilanz in dem CDU-Papier. Ein Überblick über Vorschläge der CDU:

- Investitionen in wohnortnahe Kindergärten und Schulen, Absicherung
medizinischer und pflegerischer Dienste, bedarfsgerechter Nahverkehr
und eine bessere Anbindung von Mittelzentren an den Bahn-Fernverkehr.

- In einem «Zukunftstest» sollen Perspektiven aufgezeigt oder
geschaffen werden, um die Abwanderung auf dem Land zu stoppen.
Voraussetzung seien gute Glasfaser- und Mobilfunknetze. Von den im
Koalitionsvertrag vorgesehenen Modellregionen für den superschnellen
5G-Mobilfunkstandard sollen mindestens zwei in Ostdeutschland liegen.

- Unterstützung von Forschung, Innovationen und Wachstum. So sollen
zwei der geplanten Zentren für Künstliche Intelligenz im Osten
angesiedelt werden. Das Programm «Wandel durch Innovationen in der
Region» («WIR») soll gerade die strukturschwachen Regionen stärken.


- Mehr Rentengerechtigkeit, die auch Nachteile durch die Anpassungen
nach 1990 berücksichtigt. Zudem arbeitet die Koalition wie bekannt an
einer Grundrente, die zehn Prozent über Hartz-IV-Niveau liegen soll.

- Weil viele, die in der DDR verfolgt worden seien, noch heute unter
Traumatisierungen und körperlichen Schäden litten, soll neben der
Entfristung der Rehabilitierungsgesetze aus dem Vermögen der Parteien
und Massenorganisationen der DDR ein Härtefallfonds gebildet werden.

Die Ost-SPD hat unter anderem folgende Punkte ins Spiel gebracht, die
die Basis für einen großen «Ostkonvent» der Partei im April bilden:


- Nach Auslaufen des Solidarpakts II will die SPD einen Solidarpakt 3
für strukturschwache Regionen in ganz Deutschland - wie die CDU will
man ausreichend Bus- und Bahnangebote, Läden, Ärzte und Schulen.

- Hundertprozentige Versorgung mit schnellem Mobilfunk und Internet.

- Infrastrukturoffensive mit weiteren Investitionen in Kitas,
Schulen, Hochschulen, Forschungseinrichtungen und eine bürgernahe
Verwaltung.

- Durchsetzung eines Gerechtigkeitsfonds, um jene besserzustellen,
die durch die Rentenüberleitung nach 1990 Nachteile erlitten haben,
wie Krankenschwestern, Beschäftigte der DDR-Braunkohleindustrie, die
in der DDR Geschiedenen oder die ehemaligen Reichsbahner.

Unklar ist bisher, welche der Vorschläge sich die Bundesregierung zu
eigen macht - und ob hier womöglich ein Gesamtpaket geplant werden
könnte. Auch Merkel hatte zuletzt konstatiert, dass es viel
Frustration gebe. Die AfD wird von vielen Bürgern in Ostdeutschland
als Kümmerer-Partei empfunden - man darf gespannt sein, wie die neuen
Ideen ankommen - und welche Auswirkung das auf die Wahlen haben wird.