Rechnungshof moniert zu wenig Digital-Tempo im Gesundheitswesen

Patienten sollen profitieren, wenn sie Gesundheitsdaten bald digital
mit Ärzten austauschen können. Doch das geht zu langsam voran, warnen
Finanzkontrolleure. Und sehen auch jemanden, der das ändern sollte.

Berlin (dpa) - Der Bundesrechnungshof moniert zu wenig Tempo bei der
digitalen Vernetzung des Gesundheitswesens und fordert ein stärkeres
Eingreifen der Politik. Auch 15 Jahre nach Beginn des Projekts einer
gemeinsamen Datenautobahn sei nur ein Teil der Praxen angeschlossen,
heißt es in einem Bericht der Behörde für den Bundestag, der der
Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Die elektronische Gesundheitskarte
habe bislang «keinen konkreten Mehrwert für Leistungserbringer und
Versicherte, da Online-Anwendungen noch nicht etabliert sind».

Der Rechnungshof empfiehlt, die «Allzuständigkeit» der mit dem
Datennetz-Aufbau beauftragten Gematik-Gesellschaft zu durchbrechen,
die von den Akteuren des Gesundheitswesens getragen wird. Dabei
führten «gegensätzliche Interessen» immer wieder zu Verzögerungen
.
Allein bis 2017 habe die Gematik aber Kosten von 606 Millionen Euro
verursacht. Daher solle das Bundesgesundheitsministerium selbst
«richtungsweisende Entscheidungen» treffen oder von einer seiner
Organisationen treffen lassen. Träger der Gematik sind die Verbände
von gesetzlichen Krankenkassen, Ärzten, Apotheken und Krankenhäusern.

Nach jahrelangem Gezerre will auch die Regierung mehr Tempo machen.
Laut Koalitionsvertrag sollen bis 2021 elektronische Patientenakten
kommen, die Versicherte freiwillig nutzen können - auch am
Smartphone. Die geplante Anbindung aller Praxen an die Datenautobahn
(«Telematikinfrastruktur») verzögert sich aber, auch wegen fehlender

Geräte. Der Rechnungshof mahnte, das Gesundheitsministerium müsse
dies «enger und umfassender als bisher begleiten». Da die Anbieter
die Geräte derzeit in eigener Verantwortung entwickelten, bleibe es
«grundsätzlich offen, ob und wann diese geliefert werden».

Für die elektronischen Patientenakten hatten sich Ärzte und Kassen im
Herbst auf eine grundsätzliche Struktur verständigt. Dafür sind drei

Bereiche vorgesehen: einer mit medizinischen Daten der Ärzte, einer
mit Versicherten-Informationen der Kassen und einer, in den Patienten
selbst Daten einspeisen können. Das soll helfen, Doppeluntersuchungen
zu vermeiden und Klarheit über parallel eingenommene Medikamente zu
schaffen. Der Rechnungshof wertete die Verständigung als «einen -
wenn auch späten - Schritt in die richtige Richtung». Das Ministerium
habe aber weiterhin keinen Einfluss auf Inhalte und die Umsetzung.

Auch Patientenschützer sehen die Politik am Zug. Der Rechnungshof
schreibe es Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ins Stammbuch, jetzt
Verantwortung zu übernehmen, sagte der Vorstand der Deutschen
Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, der dpa. «Es braucht ein
Bundesamt für Digitalisierung im Gesundheitswesen.» Damit würde das
kostspielige Hickhack der Spitzenorganisationen der Krankenkassen,
Ärzte, Krankenhäuser und Apotheker endlich beendet. «Denn die Zeche
zahlen die Versicherten und haben bisher nichts davon.»