Sport, Diät, kein Alkohol - bleibt es beim guten Vorsatz? Von Irena Güttel, dpa

Es ist immer dasselbe: Jedes Jahr nehmen Menschen sich aufs Neue vor,
gesünder zu leben oder mehr Sport zu machen. Und jedes Jahr scheitern
sie aufs Neue. Wieso eigentlich?

Bremen (dpa) - Eine junge Frau tippt nach dem Power-Yoga in der
Umkleidekabine etwas in ihr Smartphone. «Ich mache gerade eine
Speck-weg-Challenge», erzählt sie ihrer Freundin. «Ja, da müsste ic
h
auch mal ran», antwortet diese. Ähnliche Gespräche hört man zurzeit

überall. Das neue Jahr ist für viele Menschen ein Neustart. Ab jetzt
wollen sie gesünder, bewusster und nachhaltiger leben. Sie wollen
mehr Sport treiben, endlich den Kleiderschrank ausmisten oder eine
Zeit lang auf Alkohol verzichten. Doch schnell zeigt sich: Ein guter
Vorsatz ist leicht gefasst, ihn durchzuhalten viel schwerer.

Im Januar sind viele in Aufbruchstimmung. «Das ganze Jahr über liest
und hört man, was ein gesundes Leben ausmacht», sagt die
Gesundheitspsychologin Sonia Lippke von der Bremer Jacobs University.
«Die Feiertage geben den Freiraum, das alles Revue passieren zu
lassen.» Der Jahreswechsel ist deshalb nach Ansicht des Münchner
Psychologen und Experten für Tabakentwöhnung, Christoph Kröger, ein
guter Anlass für einen Wandel. «Im Alltag geht das unter. Da trifft
man keine guten Vorsätze.» Gerade Anfang des Jahres sei die Nachfrage
nach Rauchfrei-Programmen deshalb besonders hoch.

Thorbjörn Manthey leitet ein Fitnessstudio in Hannover, in dem dieser
Tage eine ganze Menge los ist. «In der Regel ist der Januar der
stärkste Monate des Jahres», sagt er. Das bestätigt auch die
Studiokette Fitness First, die etwa 70 Clubs in Deutschland betreibt,
darunter den von Manthey. Im Januar meldeten sich etwa doppelt so
viele Neumitglieder an wie in einem Sommermonat. Viele Studios locken
zum Jahresbeginn neue Kunden gezielt mit Rabatten. Auch im Internet
kann man zahlreiche Fitness- oder Abnehm-Apps günstiger
herunterladen, die täglich zu einer neuen Challenge (Herausforderung)
auffordern oder hilfreiche Tipps geben.

Doch viele der einst Hochmotivierten springen nach einigen Wochen
wieder ab. Wer es in den ersten drei Monaten nicht schaffe,
mindestens einmal, besser noch zweimal einen festen Sport-Tag in der
Woche einzuplanen, der gebe schneller auf, meint Studioleiter
Manthey. «Erst dann entwickelt man ein neues Körpergefühl. Das
Training wird zu Normalität.»

Ähnlich sieht es bei anderen Neujahrsvorsätzen aus: Sie werden oft
gefasst, weil es irgendwie zum Jahreswechsel dazugehört und
aufgegeben, sobald erste Hürden auftauchen. «Das ist schon eine Art
Volkssport auf Silvesterpartys. Das nimmt jeder mit einem
Augenzwinkern», meint die Motivationspsychologin Anja Achtziger von
der Zeppelin Universität in Friedrichshafen. «In solchen Fällen fehlt

der innere Druck, die Selbstverpflichtung, den Vorsatz umzusetzen.»

Im Alltag ist der innere Schweinehund oft stärker. Die Bremer
Wissenschaftlerin Sonia Lippke hat in zahlreichen Studien untersucht,
wie es gelingen kann, diesen in den Griff zu bekommen. «Die Forschung
zeigt, sich einfach nur ein Ziel zu setzen, bringt gar nichts. Die
konkreten Schritte müssen geplant werden.» Also auch, was tue ich,
wenn eine Geburtstagsfeier das Abspeck-Programm ins Wanken bringt
oder wenn mir das Wetter einen Strich durch die Joggingrunde macht.
Denn: «Ein Fehltritt bedingt den nächsten», sagt Lippke.

«Es muss einem klar sein, wofür tue ich das Ganze», ergänzt Kröge
r.
Sprich: Man sollte sich vorher genau überlegen, welche Vorteile zum
Beispiel ein Leben als Nichtraucher bringt und auf welche Probleme
man stoßen könnte. «Gerade bei Neujahrsvorsätzen ist es gut, wenn m
an
eine Vereinbarung mit jemanden trifft», sagt Kröger. Dazu gehöre
nicht nur eine Belohnung, wenn man sein Ziel erreiche, sondern auch
eine wirklich schmerzhafte Strafe, falls man aufgebe. Sein Vorschlag:
100 Euro in einen Briefumschlag stecken und diesen bei einem Rückfall
anonym dem ungeliebten Nachbarn oder Arbeitskollegen schenken.

Viele Menschen fassen jedes Jahr aufs Neue gute Vorsätze und
scheitern jedes Jahr aufs Neue. «Man fängt an, ein Ziel zu verfolgen,
macht sich auch konkrete Pläne, aber es klappt einfach nicht», fasst
Achtziger das Problem zusammen. Oft liegt es daran, dass man sich
einfach zu viel vorgenommen hat: Aus einem Sportmuffel wird nicht
gleich ein Marathonläufer. Achtziger empfiehlt deshalb, sich nicht zu
große Ziele zu setzen, sondern sich langsam zu steigern.

Und selbst, wenn man es nur eine Zeit lang schafft, seinen guten
Vorsatz durchzuhalten, ist das kein Grund zu verzweifeln. «Es zählt
jeder kleinste Schritt», sagt Lippke. Das zeigt auch eine Studie der
Universität Sussex zum «Dry January», einer Kampagne die jährlich i
n
Großbritannien zu einem Monat ohne Alkohol aufruft. Die Forscher
hatten 2014 mehr als 800 Teilnehmer befragt und festgestellt, dass 72
Prozent von ihnen auch noch ein halbes Jahr später weniger tranken
als vorher.