Betrugsermittlungen im Krankenhauswesen stagnieren - Personalmangel Von Jörn Perske, dpa

Viel Arbeit, wenig Mitarbeiter: Wegen mutmaßlichen Betrugs bei
Leistungsabrechnungen in Kliniken laufen in Hessen zehn Verfahren.
Ermittler einer Zentralstelle haben die potenziellen Betrüger ins
Visier genommen. Doch wegen Personalsorgen kommen sie nicht voran.

Bad Hersfeld/Frankfurt/Main (dpa/lhe) - Die zunehmenden
Ermittlungsverfahren wegen Betrugsvorwürfen im hessischen
Krankenhauswesen kommen nicht voran. «Wir haben zur Zeit ein
erhebliches Ressourcen-Problem. In unserer Zentralstelle ist eine von
insgesamt drei Personalstellen seit längerer Zeit nicht besetzt»,
sagte der Frankfurter Oberstaatsanwalt Alexander Badle der Deutschen
Presse-Agentur. Der Jurist ist Leiter der Zentralstelle zur
Bekämpfung von Vermögensstraftaten und Korruption im hessischen
Gesundheitswesen.

Der Personalmangel habe zur Folge, dass man im Jahr 2018 die
Ermittlungen in den Krankenhausverfahren nicht angemessen habe
vorantreiben können. In diesen Verfahren geht es um Betrugsvorwürfe
mit hohen Schadenssummen, teilweise in Millionenhöhe. «Dies ist umso
misslicher, als es hier um Gelder der Versichertengemeinschaft geht»,
erklärte Badle.

Geprüft werde, ob bei der Abrechnung von Krankenhausleistungen
Straftaten begangen worden seien, sagte der Oberstaatsanwalt. Die
Zahl der Ermittlungsverfahren sei in den vergangenen zwölf Monaten
von acht auf zehn gestiegen. Die Ermittlungen richten sich nicht nur
gegen Verantwortliche von Krankenhäusern. Teilweise geht es auch um
Mediziner, die in Kliniken tätig sind und ärztliche Leistungen
betrügerisch abgerechnet haben sollen.

Eines der Verfahren richtet sich gegen das Klinikum Bad Hersfeld
wegen mutmaßlichen Abrechnungsbetrugs. Zur Summe des mutmaßlichen
Betrugs kann Badle derzeit noch keine Angaben machen. Nur soviel: Es
gehe um Abrechnungen zwischen Januar 2010 und März 2015 von einer
speziellen Abteilung. Das Ermittlungsverfahren wurde vor mehr als
vier Jahren, Ende 2014, eingeleitet. Im März 2015 wurden
Geschäftsräume der Klinikum Bad Hersfeld GmbH durchsucht. Ein nicht
genannter Anzeigenerstatter hatte das Verfahren in Gang gebracht.

Die Ermittlungen seien besonders arbeits- und zeitintensiv,
insbesondere die Prüfung der umfangreichen Dokumente durch einen
Medizincontroller. Und viele dieser Spezialisten seien nicht
verfügbar auf dem Markt, so Badle.

Das Abrechnungswesen in Kliniken sei kompliziert und stelle eine
besondere Herausforderung für die Ermittler dar, erklärte Badle. Sie
prüfen, ob es Fehler gab, welche Qualität sie haben und ob sie
strafrechtlich relevant sind. Wenn es um Betrugsvorwürfe geht, müssen
die Ermittler den komplexen Vorgang von Diagnose, Behandlung und
Abrechnung rekonstruieren und prüfen.

Möglichkeiten, die Abrechnungen im Krankenhaus zu beeinflussen, haben
insbesondere Medizin-Controller, wie Badle sagte. Die Leidtragenden
des mutmaßlichen Betrugs sind nicht nur die Krankenversicherungen.
Auch Patienten können die Folgen zu spüren bekommen. «Die Versorgung

wird dann künftig teurer; und im schlimmsten Fall wird sie auch
schlechter. Die Kostensteigerungen im Gesundheitswesen sind bereits
jetzt enorm. Da geht es um Milliarden an Euro im System.» Und die
stationäre Krankenhausversorgung sei finanziell der größte Bereich in

der gesetzlichen Krankenversicherung - und somit auch potenziell
besonders anfällig für Betrügereien.

Daher bezeichnet Hessens Justizministerium die Zentralstelle auch als
«wichtige und bundesweit wegweisende Einrichtung, die über besondere
Kenntnisse verfügt». Nach Angaben von Badle übernahm sie im
vergangenen Jahr insgesamt 162 neue Ermittlungsverfahren, 20 mehr als
2017. Damit seien die neun hessischen Staatsanwaltschaften erheblich
entlastet worden. Die finanzielle Bilanz kann sich auch sehen lassen:
«Im Jahr 2018 haben wir unrechtmäßige Gewinne in Höhe von 2,8
Millionen abschöpfen können», sagte Badle.