Patientenvertreter fordert mehr Tempo bei Entscheidung über Medizin

Oft dauert es Jahre, bis entschieden ist, ob Kassenpatienten
Untersuchungen und Therapien bezahlt bekommen. Für einen Vorstoß
dagegen erntete der Gesundheitsminister viel Kritik. Doch manche
halten schnellere Entscheidungen auch für nötig.

Berlin (dpa) - Krankenversicherte sollen nach dem Willen eines
führenden Patientenvertreters einen rascheren Zugang zu Diagnose- und
Behandlungsmöglichkeiten erhalten. «Wir brauchen hier Reformen»,
sagte der Geschäftsführer der Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG)
Selbsthilfe, Martin Danner, der Deutschen Presse-Agentur in Berlin.
So müsse der gemeinsame Bundesausschuss, der über die Aufnahme
medizinischer Leistungen in den Katalog der gesetzlichen
Krankenkassen entscheidet, stärker an Fristen gebunden werden. Dieses
Gremium mit Spitzenvertretern von Ärzten, Kassen und Kliniken ist das
höchste Entscheidungsgremium der Selbstverwaltung im
Gesundheitswesen.

Danner begrüßte im Grundsatz einen Vorstoß von Gesundheitsminister
Jens Spahn (CDU). Spahn hatte angekündigt, dass Frauen mit Lipödem,
einer krankhaften Häufung von Fettgewebe, das Absaugen von Körperfett
künftig von den gesetzlichen Kassen bezahlt bekommen sollen. Damit
hatte Spahn teils massive Kritik unter anderem vom Koalitionspartner
SPD auf sich gezogen. Denn Spahn hat eine gesetzliche Änderung
vorgesehen, die über das Thema Lipödem hinausgeht: Sein Ministerium
soll dadurch künftig bestimmen können, dass bestimmte medizinische
Methoden zur Kassenleistung werden. Bisher regelt dies der
Bundesausschuss nach aufwendigen Prüfungen. Der Anspruch des Gremiums
dabei ist, dass die Gesundheitsversorgung nach wissenschaftlichen
Kriterien zweckmäßig sowie wirtschaftlich ist.

Danner, dessen Organisation chronisch kranke und behinderte Menschen
und ihre Angehörigen vertritt, kritisierte, die im gemeinsamen
Bundesausschuss vertretenen Organisationen hätten teils riesige
Apparate geschaffen. Dies führe immer wieder zur Lähmung des Systems.
Zugleich forderte er, dass Patientenvertreter stärker beteiligt
werden müssten, wenn Methoden ohne die bisher üblichen, oft
langwierigen Prüfungen des Ausschusses Patienten erreichen sollen.

Die Verfahren im Bundesausschuss dauern oft Jahre. So stellte die
Kassenärztliche Bundesvereinigung bereits 2006 den Antrag, dass eine
bestimmte Untersuchung in einer offenen Röhre (PET-CT) zur
Kassenleistung auch im ambulanten Bereich wird. In einem der dpa
vorliegenden Brief an den SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach
warnt die BAG Selbsthilfe davor, dass der Ausschuss im Fall der
PET-CT seine Klärungsversuche ganz einstellen werde. Dies sei ein
«Systemversagen».

Weitere Beispiele: Die Beratungen über die neuropsychologische
Therapie gegen Beeinträchtigung von Gehirnfunktionen dauerten acht
Jahre. Beratungen über einen Antrag der Kassen von 2013, bestimmte
Brustkrebstests zur Kassenleistung zu machen, sind bis 2023
ausgesetzt.

Danner erläuterte, oft hätten einzelne Krankenkassen und
Krankenhäuser ein Interesse daran, durch das Angebot bestimmter
Leistungen im Wettbewerb um Versicherte zu punkten. Deshalb wollten
sie oft nicht, dass die Krankenversicherung generell bestimmte
Leistungen bezahlt. Immer wieder würden medizinische Möglichkeiten
auch regional unterschiedlich gehandhabt - etwas bei Mandeln, die
teilweise oder komplett entfernt werden könnten.

In seinem Brief an Lauterbach schreibt Danner: «Aus Sicht der
gesetzlich Versicherten kann ein «Weiter so» jedenfalls nicht die
Lösung sein.»