Bei Anruf Arzttermin? Umstrittene Servicestelle stärker nachgefragt

Auf der Suche nach einem Termin beim Spezialisten brauchen gesetzlich
Versicherte manchmal einen langen Atem. Die Existenz eines
Vermittlungsangebots scheint sich inzwischen herumgesprochen zu
haben. Ist damit das Problem gelöst?

Berlin (dpa/bb) - Deutlich mehr gesetzlich Versicherte in Berlin
haben im vergangenen Jahr über eine Hotline Termine bei Fachärzten
und Psychotherapeuten bekommen. Insgesamt gut 19 000 entsprechende
Anfragen hat die Terminservicestelle der Kassenärztlichen Vereinigung
(KV) Berlin im Jahr 2018 vermittelt. Das geht aus einer KV-Statistik
hervor, die der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. 2017 hatte die
Zahl vermittelter Termine bei den zwei Spezialistengruppen bei rund
11 400 gelegen. Kritiker sehen die Entwicklung aber nicht als
Qualitätsnachweis.

Das Angebot war im Januar 2016 in Berlin gestartet. Die hiesige
Ärztekammer sprach damals von «Aktionismus», die KV von einem
«Bürokratiemonster». Hintergrund war ein Bundesgesetz, demzufolge
gesetzlich Versicherte mit einem Anruf binnen vier Wochen einen
Termin beim Facharzt bekommen sollen. Der gesundheitspolitische
Sprecher der FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus, Florian Kluckert,
sprach nun auf dpa-Anfrage von einem «Beruhigungsmechanismus» vor dem
Hintergrund, dass viele gesetzlich Versicherte das Gefühl hätten, im
Vergleich zu Privatversicherten Patienten zweiter Klasse zu sein.

Auf der Suche nach einem Termin beim Facharzt gehen aber auch bei der
Hotline enorm viele Patienten leer aus. Von knapp 17 500 Anrufern mit
diesem Anliegen hatten laut Statistik nur rund 7400 berechtigten
Anspruch auf die Terminvermittlung. Die KV verwies auf Vorgaben des
Gesetzgebers. Ein Haupt-Ausschlusskriterium dürfte sein, dass Anrufer
nicht über die erforderliche Überweisung des behandelnden Arztes mit
einem speziellen Code verfügen - als Nachweis, dass die
Weiterbehandlung beim Spezialisten dringend ist.

Offenbar melden sich also zahlreiche Patienten, die entweder nicht
genau über die Grenzen des Angebots informiert sind - oder die aus
medizinischer Sicht nicht als allzu dringlicher Fall gelten. «Alle
berechtigten Vermittlungswünsche der Berliner Patienten werden
fristgerecht bearbeitet», betonte eine KV-Sprecherin. Patienten
können weder Wunschärzte noch Wunschtermine äußern - vermittelt
werden Mediziner, die freie Termine haben. Laut KV gilt innerhalb
Berlins «annähernd jede Wegstrecke» als zumutbar.

Seit Frühjahr 2017 vermittelt die Servicestelle auch
Psychotherapeuten-Termine. Dieses Angebot ist laut der Statistik in
Berlin bereits stärker nachgefragt als die Facharzt-Vermittlung: Mehr
als 11 600 solcher Anfragen wurden erfolgreich bearbeitet (gesamt:
18 900).

Für Kluckert kommt bisher die Frage zu kurz, ob ein Arzt mit
freiem Termin für das jeweilige spezielle Gesundheitsproblem des
Patienten überhaupt der Richtige ist. Gerade bei Psychotherapeuten
sei die Vertrauensbasis entscheidend. Die hohe Zahl an Vermittlungen
in dem Bereich habe daher mit Qualität nichts zu tun, sagte er.

Auch mangelnde Termin-Flexibilität und fehlende Möglichkeiten zur
direkten Terminabsprache zwischen Patient und Praxis zählten zu den
Schwachstellen des Angebots, sagte Kluckert. Dies führe dazu, dass
nach seinen Informationen ein hoher Anteil der vermittelten Termine
nicht eingehalten werde. Aus der KV-Statistik geht dieser Anteil
nicht hervor, allerdings werden mehr als 6700 Anrufe als «sonstige
Kontakte» gewertet - darunter fallen auch Terminabsagen.

Die Terminservicestellen seien «ein gutes Beispiel für aktionistische
und aufwändige Konstruktionen im Gesundheitswesen, die keine Ursachen
von teilweise bestehenden Engpässen beseitigen», hieß es bei der
Ärztekammer Berlin auf Anfrage. Kammerpräsident Günther Jonitz
erklärte: «Sie sind Sinnbild einer rein symptomatischen und damit
falschen Politik.»