«Nicht wach, um Sie zu ärgern» - Herr Spahn und der Ärger der Ärz te Von Larissa Schwedes, dpa

Mehr Geld für die Ärzte - mehr Service für die Patienten. Mit seinem

ersten großen Ärztegesetz will Jens Spahn die Versicherten glücklich

machen und den Medizinern nicht schaden. Doch die Branche ist in
Aufruhr.

Berlin (dpa) - Mit einem Lächeln auf den Lippen läuft Jens Spahn in
die Höhle des Löwen. Drinnen warten rund 200 Ärzte aus ganz
Deutschland auf ihn. Sie sind nicht einverstanden damit, wie der
Minister ihre Branche umkrempeln will. Der CDU-Politiker hat sich
deshalb für die Konfrontation entschieden: An diesem Freitag im
Januar nimmt er sich knapp zwei Stunden Zeit, um sich bei einer
Veranstaltung der Kassenärztlichen Bundesvereinigung in Berlin seinen
Kritikern zu stellen.

Sein Terminservicegesetz, das TSVG, das selbst laut Spahn «ein
bisschen wie ein Sportverein» klingt, hat eigentlich einen simplen
Kern: Gesetzlich versicherte Patienten sollen schneller und einfacher
Arzttermine bekommen. Die Ärzte sollen längere Sprechstunden anbieten

und sich besser über das Land verteilen. Dafür winkt ihnen mehr Geld.
Seit der ursprünglichen Fassung des Gesetzes, das im Dezember
erstmals im Bundestag diskutiert wurde, sind viele Änderungsanträge
hinzugekommen.

Spahn wolle zu viel regeln - und am liebsten alles auf einmal. Dieser
Vorwurf klingt in vielen Kommentaren durch, die in Berlin von den
Medizinern zu hören sind. Viele der niedergelassenen Ärzte fürchten
Einschnitte in ihre individuellen Arbeitsabläufe und die Organisation
ihrer Praxen. «Das ist so, als wenn Sie gesagt hätten: Ab morgen
müssen die Ärzte täglich ihre Unterwäsche wechseln», nörgelt ei
n
Hausarzt.

Spahn signalisiert Offenheit, macht aber auch seine Positionen klar:
«Ich bin ein großer Freund von Subsidiarität und Selbstverwaltung.
Aber manchmal muss Politik eingreifen.» Es werde etwa bei den 25
Stunden bleiben, die Ärzte gesetzlich Versicherten pro Woche zur
Verfügung stellen sollen. Dieser Punkt stehe im Koalitionsvertrag.

Die Ärzte, die zum Teil Hunderte Kilometer angereist sind,
beschäftigt auch die Frage, wie ihre Praxen künftig über die Republik

verteilt werden sollen. «Es gibt eben einen Unterschied zwischen
Mainz und dem - wie heißt denn das da alles - Hunsrück», sagt Spahn.

«Wenn man sagt «Sie können sich überall niederlassen», gehen noch

mehr nach Mainz.» Dieser Versuch, den Plan für eine ausgewogene
Verteilung von Ärzten auf Stadt und Land zu erläutern, stößt nicht

durchweg auf Begeisterung. «Geh doch selber dahin, du Heini», murmelt
jemand.

Immer wieder locken die Ärzte den Minister aus der Reserve. «Ihr
müsst Euch auch mal entscheiden, was Ihr eigentlich wollt», ruft
Spahn fast verzweifelt, als jemand Strafzahlungen von 50 Euro
verlangt, um trotz Termin ausbleibende Patienten zu sanktionieren.
Mehrmals erhebt er Vorwürfe gegen die Ärzteschaft mit dem
augenzwinkernden Zusatz, alle Anwesenden seien selbstverständlich
davon ausgenommen. Doch auch der Ton, den die Ärzte untereinander
anschlagen, ist zuweilen rau. Buh-Rufe und nervöses Raunen gehen
durch den Saal, wenn ein Kollege am Mikrofon etwas zu weit ausholt.

Spahn selbst gibt sich immer wieder Mühe, auch sanfter zu klingen und
Kompromissbereitschaft zu signalisieren. «Wenn der Eindruck hängen
geblieben ist, der Gesundheitsminister wird nicht morgens wach, um
Sie zu ärgern, dann hat es sich schon mehr als gelohnt.»

Ob und wie die Sorgen und Nöte der Mediziner Eingang in das Gesetz
finden werden, ist offen. Über das Vorhaben wird noch eine Weile im
Bundestag verhandelt. Spätestens im Frühsommer soll es für Ärzte un
d
Patienten zum Alltag werden.