Regierung plant höheres Bafög - Kritik an Karliczeks Reformplänen Von Basil Wegener, dpa

So wenig Studenten und Schüler bekommen Bafög wie seit Jahren nicht.
Mit einem neuen Gesetz will die Regierung die Trendwende schaffen.
Doch reichen die geplanten Verbesserungen?

Berlin (dpa) - Studenten und Schüler sollen ab Mitte 2019 deutlich
mehr Bafög bekommen können. Der Bund will für eine entsprechende
Reform bis 2022 mehr als 1,8 Milliarden Euro ausgeben. Das sieht ein
Gesetzentwurf von Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) vor, der
der Deutschen Presse-Agentur in Berlin vorliegt. Die Pläne sind an
diesem Freitag Thema einer Anhörung von Verbänden im
Bundesbildungsministerium in Berlin. Kritikern sind sie nicht
ehrgeizig genug.

Der Höchstsatz der gesamten Förderung soll ab dem Wintersemester 2019
von 735 Euro in zwei Stufen bis 2020 auf insgesamt rund 850 Euro
steigen. Ihn bekommen Studenten, die nicht bei den Eltern wohnen und
selbst krankenversichert sind.

DIE GEPLANTE REFORM:

Der Höchstsatz setzt sich aus drei Komponenten zusammen: Der
Grundbedarf soll zunächst um fünf und dann noch einmal um zwei
Prozent steigen. Überproportional angehoben werden soll der
Wohnzuschlag - für nicht bei den Eltern wohnende Studenten von 250
auf 325 Euro. Steigen sollen auch die Zuschläge für die Kranken- und
Pflegeversicherung.

Es sollen auch mehr junge Menschen vom Bafög profitieren. Dafür
sollen die Freibeträge für das Einkommen der Eltern in drei Schritten
bis 2021 um insgesamt 16 Prozent angehoben werden.

Der Freibetrag für eigenes Vermögen soll 2020 von derzeit 7500 auf
künftig 8200 Euro angehoben werden. Die Vermögensfreibeträge für
Auszubildende mit Unterhaltspflichten gegenüber eigenen Ehegatten,
Lebenspartnern und Kindern sollen von derzeit 2100 auf 2300 Euro
steigen.

Wer gefördert wurde, soll zudem nicht lebenslange Schulden fürchten
müssen. So soll jenen die Restschuld erlassen werden, die den
Darlehensanteil des Bafög trotz Bemühens aufgrund schlechter
wirtschaftlicher Verhältnisse nicht binnen 20 Jahren tilgen können.
Bereits bisher musste man nur die Hälfte des Geldes und maximal 10
000 Euro zurückzahlen, und zwar in monatlichen Raten.

Statt das Bafög als verzinslichem Bankdarlehen der Förderbank KfW
auszuzahlen, soll der Staat es ab dem Wintersemester 2019/2020 als
zinsfreies Darlehen bereitstellen.

GRUND FÜR DIE REFORM:

Die Zahl der Bafög-Empfänger sinkt seit Jahren. Im Jahr 2017
erhielten laut Statistischem Bundesamt 225 000 Schüler und 557 000
Studenten die staatliche Ausbildungsförderung - insgesamt etwa 41 000
oder fünf Prozent weniger als noch im Jahr zuvor. Da pro Kopf aber
mehr ausgezahlt wurde, stiegen die staatlichen Ausgaben dafür um rund
70 Millionen auf 2,9 Milliarden Euro.

Fünf Jahre zuvor erhielten noch 308 000 Schüler und 671 000 Studenten
Bafög. Angesichts dieses deutlichen Rückgangs hatten CDU, CSU und SPD
im Koalitionsvertrag vereinbart, «bis 2021 eine Trendumkehr zu
erreichen».

REAKTIONEN:

Der Generalsekretär des Deutschen Studentenwerks, Achim Meyer auf der
Heyde, kann sich nach eigenen Angaben vorstellen, dass durch die
Reform tatsächlich wieder mehr junge Menschen vom Bafög profitieren.
«Für eine echte Trendwende sind aber größere Verbesserungen nötig
»,
sagte er der Deutschen Presse-Agentur.

Meyer auf der Heyde kritisierte insbesondere eine aus seiner Sicht zu
geringe Steigerung der Bedarfssätze. Die Grundpauschale dürfe nicht
nur von 399 auf 427 Euro steigen, sondern müsse zwischen 500 und 550
Euro liegen, damit der Bedarf gedeckt werde. Zudem dürfte auch die
höhere Wohnpauschale vor allem Studienanfängern bei Neuvermietungen
kaum ausreichen, sagte er. Die Bundesregierung solle die steigende
Wohnpauschale zudem nicht an die große Glocke hängen. «Denn Vermieter

werden möglicherweise so angeregt, höhere Mieten zu nehmen.»

Meyer auf der Heyde kritisierte zudem, dass die Regierung ihren
nächsten Bafög-Bericht nicht wie bisher geplant im Herbst vorlegen
wolle, sondern erst 2021. Auf Basis der darin dargestellten
Entwicklungen bei Preisen und Einkommen könnten die Freibeträge und
Sätze erhöht werden - eine frühere weitere Anhebung der Sätze drohe

nun auszufallen. Meyer auf der Heyde begrüßte dagegen unter anderem
die geplante dreistufige Anhebung der Freibeträge.

Der Grünen-Bildungsexperte Kai Gehring warf Union und SPD vor, das
Bafög durch zahlreiche Nullrunden und Nichtstun in ein Allzeittief
gestoßen zu haben. «Auch Ministerin Karliczek bügelt mit dieser
Novelle die Versäumnisse der letzten Jahre nicht aus», sagte Gehring
der dpa. «Die Negativspirale beim Bafög gehört endlich durchbrochen
»,
forderte er. Fördersätze und Freibeträge müssten zum nächsten
Semester um mindestens zehn Prozent steigen. Die Wohnförderung müsse
regional gestaffelt werden. Im Bundestag müsse aus den Plänen für
eine «halbgare Reform» nun einen echter Fortschritt gemacht werden.