Eltern leiden besonders unter längeren Arbeitszeiten

Gefährdet die Verlängerung der Arbeitszeit um eine Stunde pro Woche
die Gesundheit? Vor allem Eltern und Frauen gehen dann häufiger zum
Arzt.

Halle/Erlangen (dpa) - Steigt ihre Wochenarbeitszeit um eine Stunde,
gehen zumindest einige Menschen häufiger zum Arzt. Das berichten
Forscher der Universitäten Halle-Wittenberg und Erlangen-Nürnberg.
Sie analysierten Daten von 6500 Beamten und Arbeitnehmer im
öffentlichen Dienst aus den alten Bundesländern. Die Zahl der
Arztbesuche stieg demnach um 13 Prozent. Der selbst eingeschätzte
Gesundheitszustand habe sich durch die Arbeitszeiterhöhung um 2
Prozent verschlechtert, schreiben die Forscher im Fachmagazin «Labour
Economics».

Besonders betroffen von beiden Effekten waren Frauen und Eltern von
kleinen Kindern. «Vermutlich sind die Effekte bei diesen Gruppen
stärker, weil sie außerhalb ihrer Arbeitszeit mit sehr begrenzten
Zeitbudgets ausgestattet sind. Steigt die Arbeitszeit, steigt somit
auch der Zeitdruck außerhalb der Arbeit», erklärte der Hauptautor der

Studie, Christoph Wunder.

Bei Männern (mit und ohne Kindern) fiel der Unterschied nicht ganz so
stark aus. Sie gingen um 7 Prozent häufiger zum Arzt, wenn sich die
Wochenarbeitszeit erhöhte, bei Frauen waren es 15 Prozent. Diese
Lücke zwischen den Geschlechtern könne sich mit zunehmender
Gleichberechtigung allerdings verringern, erwarten die
Wissenschaftler.

Die Daten stammen aus dem Sozio-ökonomischen Panel der Jahre 1985 bis
2014. In regelmäßigen Abständen wurden immer dieselben Menschen zu
ihren Lebensumständen befragt, inklusive Gesundheit, Erwerbstätigkeit
und Lebenszufriedenheit. Beamte und Arbeitnehmer im öffentlichen
Dienst würden Neuregelungen der Arbeitszeit besser übernehmen als
Angestellte in der Privatwirtschaft. Diese könnten bei einer Änderung

der tariflichen Arbeitszeit Überstunden anpassen und so weiterhin
gleich lange arbeiten, erklärte Wunder in der Mitteilung.

Eine Betriebsärztin sieht die Ergebnisse kritisch. «Die Rechnung:
Lange Arbeitszeit ist gleich krank sein, unterschreibe ich
ausdrücklich nicht», sagte Anette Wahl-Wachendorf, Vizepräsidentin
des Verbandes für Betriebs-und Werksärzte. Der Krankenstand sei
abhängig von einer ganzen Reihe von Faktoren. «Zum Beispiel der
Inhalt der Arbeit, die Arbeitsfülle und die Organisation der Arbeit».
Wer zufrieden mit seinen Aufgaben und Kollegen ist, der nehme in der
Regel auch mehr Arbeitszeit in Kauf ohne krank zu werden. Richtig
sei, dass längere Arbeitszeiten mehr Stress insbesondere auf Eltern
ausüben. Dadurch könne es zu mehr Ausfällen kommen. «Das sind aber

Organisationsprobleme, die es gesellschaftspolitisch zu lösen gilt»,
sagte sie.

Tendenziell lasse sich das auch auf private Angestellte übertragen,
sagte Wahl-Wachendorf. Den Umkehrschluss, dass weniger Arbeitszeit
automatisch gesünder mache, lasse die Studie aber nicht unbedingt zu.
Die Autoren schreiben: «Es lassen sich keine Aussagen zu einer
optimalen Arbeitszeit ableiten».