Karl der Große - Von Gicht geplagt an Lungenentzündung gestorben? Von Elke Silberer, dpa

Karl der Große führte Kriege quer über den Kontinent. Sein großes
Reich erstreckte sich von der Elbe bis zum Ebro im Nordosten
Spaniens. Am Ende könnte eine Lungenentzündung den mächtigsten Mann
des Mittelalters hingerafft haben, meinen Wissenschaftler.

Aachen (dpa) - Karl der Große starb am Morgen des 28. Januar 814 in
Aachen, am Abend war er schon bestattet. Was brachte den mächtigsten
Mann des Mittelalters um? Über 1200 Jahre danach gehen zwei
Wissenschaftler davon aus, dass den mit 1,84 Meter tatsächlich großen
Frankenkaiser im fortgeschrittenen Alter die Gicht plagte.
«Wahrscheinlich ist, dass er zu der Gicht noch eine Lungenentzündung
hatte», sagt der Mumienspezialist Frank Rühli vom Institut für
Evolutionäre Medizin an der Universität Zürich. Beweisen lasse sich
das allerdings nicht.

Rühli und der Anthropologe Joachim Schleifring haben eine Analyse der
Knochen Karls des Großen, geboren wahrscheinlich 742, 747 oder 748,
im Fachjournal «Economics and Human Biology» veröffentlicht.
Schleifring erinnert sich noch gut an den Geruch, der ihm bei der -
bisher letzten - Graböffnung 1988 entgegenschlug: «Mir ist
aufgefallen, dass die Skelettteile so streng gerochen haben. Kaum
haben wir den Deckel aufgemacht, kam uns der Geruch entgegen»,
erzählt er. Da lagen sie dann: 94 erhaltene Knochen und
Knochenfragmente, auf einem roten Tuch fein säuberlich aufgereiht,
mit rotem Band oder Goldfäden fixiert.

Schleifring protokollierte Ablagerungen an Schien- und Fersenbein,
wie sie bei Gicht üblich sind. Diese Krankheitshypothese sieht der
Mediziner Rühli auch durch Ernährungsgewohnheiten erhärtet: Karl war

einem guten Hirschbraten nie abgeneigt - ausgiebiger Fleischverzehr
gilt als Risikofaktor für die Stoffwechselerkrankung. Und dass er im
fortgeschrittenen Alter hinkte, passt auch zu der Annahme. An Gicht
allein stirbt zwar niemand, sie könnte den Frankenkaiser aber
entscheidend geschwächt haben.

Zum Zeitpunkt seines Ablebens herrschte Karl über ein Reich, das
weite Teile Mittel- und Westeuropas umfasste. Sein Tod kam nach einem
Bad, und zwar recht schnell. Karl bekam Fieber. «Er aß nichts mehr,
trank kaum noch etwas», sagt Rühli mit Verweis auf historische
Quellen. Am siebten Tag sei er dann gestorben, habe seine letzten
Waschungen erhalten und sei noch am gleichen Tag beerdigt worden.
Aufgrund der Gesamtumstände hält der Schweizer Mediziner eine
Lungenentzündung für wahrscheinlich.

Verblüfft waren die Wissenschaftler von einem kleinen Seidensäckchen
mit mumifiziertem Gewebe - vermutlich Muskulatur, meint Rühli und
schließt daraus, dass Karls Leiche zumindest teilweise mumifiziert
wurde. «Offensichtlich hat man ihn an diesem Tag, bis man ihn
beerdigt hat, schon relativ umfangreich bearbeitet und nicht nur in
ein Leichentuch getan und eingesargt», sagt der Mediziner.

Um diese Annahmen wissenschaftlich zu erhärten, müsste man den
Karlsschrein noch einmal öffnen, meint Rühli. Schleifring hält das
auch aus konservatorischen Gründen für sinnvoll. Der beißende Geruch

vor 30 Jahren könnte aus chemischen Konservierungsmitteln stammen.
Hat sich der Zustand der Gebeine dadurch verschlechtert?

«Der Schrein wurde 1988 verschlossen mit der Absicht, die Ruhe des
Toten nicht wieder zu stören», sagt die Leiterin der Aachener
Domschatzkammer, Birgitta Falk, der Deutschen Presse-Agentur. Die
Knochen seien darin unter guten klimatischen Bedingungen in einer
Vitrine untergebracht. «In ihrem gleichbleibenden Klima können sie
viele Hundert Jahre ohne weitere Schäden überdauern. Daher gibt es in
absehbarer Zeit keinen Grund, den Schrein zu öffnen.»