Experten: Bezahlbare Seniorenwohnungen werden Mangelware Von Roland Losch, dpa

Für viele künftige Senioren wird es eng: Weniger Rente, weiter
steigende Mieten, kein Geld für altersgerechte Umbauten. Experten
sehen eine neue soziale Frage in Deutschland: die «graue
Wohnungsnot».

München (dpa) - Eine altersgerechte und bezahlbare Wohnung finden -
das könnte bald für Millionen Rentner zum Problem werden: Darin sind
sich Wirtschaftsforscher, Sozialexperten und die Bauwirtschaft einig.
Denn die geburtenstarken Jahrgänge gehen demnächst in Rente. «Eine
ganze Generation mit deutlich niedrigeren Renten trifft dann auf
steigende Wohnkosten», sagte Matthias Günther vom Pestel-Institut in
Hannover. «Deutschland steuert sehenden Auges auf die «Graue
Wohnungsnot» zu».

«Nur fünf Prozent aller Älteren leben in altersgerechten Wohnungen»
,
sagte Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbandes VdK, der
Deutschen Presse-Agentur. Schon heute sei es für viele Rentner
schwer, steigende Mieten zu zahlen. «Schon jetzt ist die Hälfte der
592 000 Wohngeldbezieher älter als 65.»

Die Zahl der Senioren wird aber von heute knapp 18 Millionen bis zum
Jahr 2040 auf etwa 24 Millionen steigen - und diese werden von
deutlich weniger Rente leben müssen, wie das Pestel-Institut in
seiner am Montag veröffentlichten Studie vorrechnet. Der Anteil der
Senioren, die ergänzende Grundsicherung zum Lebensunterhalt brauchen,
dürfte von heute 3 Prozent auf über 25 Prozent steigen. Kurz: Jedem
vierten Rentner droht Altersarmut.

Ein Senior wohnt heute im Durchschnitt auf 59 Quadratmetern, ein
durschnittlicher Bundesbürger auf 46 Quadratmetern. Dabei geht es in
den Städten eng zu: Jeder neunte Einwohner dort lebe in einer
überbelegten Wohnung, teilte das Statistische Bundesamt am Montag
mit. Überbelegt heißt zum Beispiel, dass sich drei Kinder ein
Kinderzimmer teilen oder Eltern das Wohnzimmer auch als Schlafzimmer
nutzen.

Viele Senioren aber bleiben weiter in der vertrauten Wohnung, auch
wenn die Kinder ausgezogen sind und der Partner verstorben ist.
Gerade in Groß- und Universitätsstädten aber seien sie es, die «am

stärksten unter Mietsteigerungen ächzen», sagte Ulrich Ropertz vom
Deutschen Mieterbund. Eine einfache Lösung scheint also der Umzug in
eine kleinere Wohnung zu sein.

Nur, wohin umziehen? Oft scheitert das an den Mietkosten. «In der
Regel finden sie keine kleinere Wohnung für eine niedrigere Miete»,
sagte Günther. «Und wer sich seine bisherige Mietwohnung nicht mehr
leisten kann, wird gerade in den teuren Städten häufig gezwungen
sein, nicht nur die Wohnung zu wechseln, sondern mit der Wohnung auch
den Wohnort.»

Mit einzelnen Projekten und Hilfen versuchten kommunale, private und
genossenschaftliche Wohnungsträger, Rentnern einen Umzug im Ort
schmackhaft zu machen - in Elbgemeinden, in Berlin, in
Nordrhein-Westfalen. Wichtig sei, dass die kleinere Wohnung
tatsächlich günstiger ist, sagte Ropertz. Aber «das Echo ist sehr
zögerlich». Denn alte Menschen «hängen oft an der Wohnung, in der s
ie
Jahrzehnte gelebt haben, an der Umgebung, wo sie verankert sind».

Eine andere Lösung sehen die Wirtschaftsforscher vom Pestel-Institut
in Wohngemeinschaften, um sich die Kosten zu teilen. Auch für Ropertz
eine Möglichkeit: «Aber viele scheuen sich, fremde Menschen in der
Wohnung aufzunehmen.»

Nicht nur die Miete, sondern auch ein altersgerechter Umbau der
Wohnung wird für eine wachsende Zahl von Rentnern kaum bezahlbar
sein. Zahlt der Vermieter, kann er die Kosten als Modernisierung auf
die Miete umlegen. Ein Aufzug im Haus kann da teuer werden.

Im Schnitt 16 000 Euro kostet es, eine Wohnung barrierearm umzubauen,
heißt es in der Pestel-Studie. Wenn die Senioren dann weniger
unfallgefährdet wohnen und länger zuhause leben können, mache sich
das aber rasch auch für die Gesellschaft bezahlt: Ein Platz im
Pflegeheim koste pro Jahr 8500 Euro mehr als eine ambulante Pflege.

Bundesweit müssten bis 2030 drei Millionen Wohnungen zusätzlich
altersgerecht neu oder umgebaut werden, sagte Günther. Das koste 50
Milliarden Euro. Mit staatlichen Zuschüssen von 6 Milliarden Euro
ließe sich das stemmen.

Vdk, Mieterbund und Bauwirtschaft stoßen hier ins gleiche Horn. «Mehr
öffentliche Förderung für altersgerechte Wohnungen ist
alternativlos», sagte Ropertz. «Das ist auch eine
gesamtgesellschaftliche Aufgabe.» Aber die Politik sei zögerlich.

Der Bundesverband Deutscher Baustoff-Fachhandel, der die Studie in
Auftrag gab und sie mit Günther auf der BAU-Messe in München
vorstellte, hofft auf Aufträge. VdK-Präsidentin Bentele fordert von
der Bundesregierung, die Fördermittel für sozialen Wohnungsbau
drastisch zu erhöhen und «mit Auflagen zum Um- und Neubau von
barrierefreiem und bezahlbarem Wohnraum» zu verbinden.