Koalition streitet über Steuern und Soli - Handwerk droht mit Klage

Sollen Unternehmen entlastet werden, um gegen eine Krise gewappnet zu
sein? Union und SPD sind da uneins. Auch beim Soli-Abbau gibt es
Streit. Aus der Wirtschaft droht zusätzlicher Ärger.

Berlin (dpa) - In der großen Koalition bahnt sich ein Streit über die
Steuersenkungen für Unternehmen an. CDU-Chefin Annegret
Kramp-Karrenbauer und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU)
sprachen sich für die Entlastung der Wirtschaft aus, um sie vor einem
Abschwung zu bewahren, die SPD lehnte die Vorstöße ab. Zudem schwelt
die Kontroverse in der Koalition über eine vollständige Abschaffung
des Solidaritätszuschlags weiter. Das Handwerk droht mit
Verfassungsklagen gegen die Koalitionspläne zur Beibehaltung des
Solidaritätszuschlags für zehn Prozent der Steuerzahler.

Kramp-Karrenbauer sagte der «Welt am Sonntag»: «Wir müssen überle
gen,
wie wir die Binnenkonjunktur und unsere Wettbewerbssituation stärken
können, etwa indem wir die Abgabenlast für Betriebe verringern durch
eine Unternehmenssteuerreform.» Sie verstehe nicht, dass
Finanzminister Olaf Scholz Steuerentlastungen erst bei einer
konjunkturellen Eintrübung vorsehe. «Es wäre sinnvoller, diese
Entlastung von Anfang an zu ermöglichen und nicht erst darauf zu
warten, dass die Konjunktur schwächer wird.»

Altmaier sieht das genauso. «Unsere Wirtschaft ist jetzt neun Jahre
in Folge gesund und nachhaltig gewachsen», sagte der
Wirtschaftsminister der «Welt am Sonntag». «Da Herausforderungen wie

Brexit, internationale Handelskonflikte und der
Digitalisierungsbedarf auch an unserer Volkswirtschaft nicht spurlos
vorbeiziehen, müssen wir sinnvoll entlasten und Wachstumsimpulse
setzen. Jetzt, nicht erst, wenn ein Abschwung droht», mahnte der
CDU-Politiker.

SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil reagierte ablehnend. «Wir haben
uns mit dieser Regierung bewusst entschieden, in Bildung, Familien
und Digitalisierung zu investieren», sagte Klingbeil den Zeitungen
der Funke Mediengruppe (Montag). »Es ist erstaunlich, dass die Union
diesen Weg nun dadurch in Frage stellt, dass sie das Geld lieber in
Steuersenkungen für Spitzenverdiener stecken will.» Das sei mit der
SPD nicht zu machen. SPD-Fraktionsgeschäftsführer Carsten Schneider
sagte der «Welt am Sonntag»: «Die Wirtschaft hat prächtig verdient.
»
Er halte es für wichtig, die unteren und mittleren Einkommen zu
entlasten. «Da tun wir mit dem Abbau des Soli ab 2020 für 90 Prozent
der Steuerzahler und der Wiedereinführung der paritätischen
Krankenversicherung etwas.»

Auch beim Thema Soli gibt es weiter Unstimmigkeiten in der Koalition.
Union und SPD planen bislang für 2021 eine Entlastung um 10
Milliarden Euro, die 90 Prozent der Soli-Zahler befreien soll. Die
Union hatte auf ihrem Bundesparteitag beschlossen, den Zuschlag
vollständig abzubauen. Finanzminister Scholz lehnt das ab.

Kramp-Karrenbauer sprach von einer «Neidkampagne», wenn zehn Prozent
der Bevölkerung, die bisher nicht entlastet werden, als superreich
bezeichnet werden. Dabei handele es sich aber oft um kleinere und
mittlere Unternehmen. Darauf wies auch Handwerkspräsident Hans Peter
Wollseifer hin. «Bleibt der Soli für die oberen zehn Prozent der
Steuerzahler erhalten, trifft das nicht nur Millionäre, sondern auch
massiv Handwerksbetriebe und deren Mitarbeiter, also unsere Leute»,
sagte Wollseifer der «Rheinischen Post» (Samstag). «Wir werden das
verfassungsrechtlich überprüfen lassen, wenn die Bundesregierung an
dem Plan festhält, nur 90 Prozent der Steuerzahler beim Soli zu
entlasten», kündigte Wollseifer an. Der Zentralverband des deutschen
Handwerks (ZDH) werde Verfassungsklagen von Betrieben tatkräftig
unterstützen.

Die SPD bleibt hingegen bei ihrer Haltung. Scholz sagte im «Interview
der Woche» von SWR2: «Das Wegfallen des Solis für 90 Prozent
derjenigen, die ihn heute zahlen, das sind ja fast alle
Steuerpflichtigen, bedeutet eine Mindereinnahme für den Bund, für den
Bundeshaushalt, von über 10 Milliarden Euro. Die übrigen 10 Prozent
wären noch mal so viel, was natürlich daran liegt, dass darunter auch
Personen sind, die zum Beispiel Vorstandsvorsitzende großer
Dax-Aktiengesellschaften sind, vielleicht fünf Millionen verdienen.»
Klingbeil machte in der «Passauer Neuen Presse» (Samstag) klar, die
Entscheidung, dass die oberen zehn Prozent weiter den Soli zahlen sei
im Koalitionsvertrag getroffen und stehe auch nicht mehr zur
Diskussion.

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) forderte derweil
die Erhöhung des Spitzensteuersatzes. «Nur so können wir die
Einnahmeverluste beim Soli ausgleichen und verhindern, dass die
Schere zwischen arm und reich im Land noch weiter auseinandergeht»,
sagte Weil der «Augsburger Allgemeinen».