Ein bedrohter Schatz: Die enorme Frosch-Vielfalt von Ecuador Von Ramiro Carrillo, dpa

Ein seltsam geformter Kopf, gelb-grüne Haut: In Ecuadors Regenwäldern
leben einzigartige Frösche. Die Tiere interessieren nicht nur
Biologen - auch für die Medizin können sie von Nutzen sein.

Quito (dpa) - Das «Quak» des kleinen, gelben Frosches klang in den
Expertenohren von Santiago Ron so ungewöhnlich, dass der
ecuadorianische Biologe begann, das Tier zu erforschen. Nach 15
Jahren konnten er und sein Team verkünden: Der gut drei Zentimeter
große Scinax tsachila ist die 600. katalogisierte Amphibie, die in
Ecuador beheimatet ist. Das südamerikanische Land ist für seine
enorme Tier- und Pflanzenwelt bekannt

Gemessen an der Fläche hat Ecuador die größte Amphibienvielfalt der
Welt, wie das wissenschaftliche Portal Bioweb schreibt. Nur in den
wesentlich größeren Ländern Brasilien, Kolumbien und Peru gibt es
insgesamt mehr Amphibienarten.

Eine Art, dessen Aussehen an ein totes Blatt erinnert («Edalorhina
perezi»), einer mit einem dreieckigen Kopf («Hemiphractus scutatus»)

und eine Spezies mit gelb-grüner, fast durchsichtig scheinender Haut
(«Sachatamia ilex») - Frosch ist nicht gleich Frosch in Ecuador.
Zudem gibt es laut Biologe Ron noch rund 200 Arten zu entdecken und
zu untersuchen - man bräuchte ein «Heer an Biologen», um die ganze
Vielfalt zu katalogisieren. Ron arbeitet an der Universidad Católica
in Ecuadors Hauptstadt Quito.

«Von den 600 Amphibienarten in Ecuador sind 42,5 Prozent endemisch,
das heißt, man kann sie nur in unserem Gebiet finden», erklärt er.
42,5 Prozent - das entspricht 255 Arten. «Diese Zahl ist höher als
alle Amphibienarten zusammen, die in einem Land wie Argentinien
existieren.»

Der Name des Froschs «Scinax tsachila» leitet sich von der indigenen
Gemeinde «Tsáchila» ab, die in der Gegend um Santo Domingo de los
Colorados und in angrenzenden Provinzen lebt, einem Regenwaldgebiet
am Westhang der Anden. Dort entdeckte Ron die ersten dieser gelben
Frösche.

Die Forschung ist auch von Nutzen für die Medizin: «Wissenschaftliche
Studien zeigen, dass die Sekrete auf der Haut dieser Tiere ein hohes
Potenzial für den therapeutischen Zweig und die Biomedizin besitzen»,
teilt das Umweltministerium mit. Schon jetzt gebe es Schmerzmittel
und Antibiotika auf Basis von extrahierten Substanzen der Amphibien.
Die Industrie sieht hier noch großes Potenzial.

Amphibien spielen außerdem eine wichtige Rolle bei der Erhaltung von
Mooren, Dschungeln, Flüssen und Sümpfen. «Amphibien sind als
Verbraucher und als Beute ein Zwischenglied in der Kette der
Nährstoffe und Energien», schreibt das Portal Bioweb. Für die alten
Kulturen Ecuadors haben Frösche schon immer für Fruchtbarkeit und
Regeneration von Leben gestanden.

Vielen Arten geht es allerdings schlecht. Von den bekannten
Froschspezies seien 18 «möglicherweise ausgestorben», teilt das
Umweltministerium mit. 33 Prozent der Amphibien Ecuadors sind demnach
vom Aussterben bedroht. «Die Zerstörung des Lebensraums, die
Umweltverschmutzung, die eingeschleppten Arten, aufkommende
Krankheitserreger, der Klimawandel, all das sind große Gefahren für
diese Arten», so das Ministerium.

Die wachsende Landwirtschaft vermindere nach und nach die Waldfläche
und sei einer der Hauptgründe für die Bedrohung der Arten. Biologe
Ron sieht die Zukunft dennoch nicht nur negativ: Die Liebe zur Natur
sei bei jungen Ecuadorianern spürbar. Das fördere ohne Zweifel die
Erforschung und Konservierung der Arten.