Pillen-Rückruf: Hersteller schweigt, Experte sieht Versäumnisse

Eine Firma ruft eine Antibabypille zurück, weil Anwenderinnen bei der
Einnahme Fehler machen und schwanger werden könnten. Was sollen
betroffene Frauen jetzt tun - und wie viele sind es überhaupt?

Berlin (dpa) - Nach dem Rückruf der Antibabypille «Trigoa» wegen
falsch bedruckter Tablettenverpackungen bleibt die Zahl der
betroffenen Frauen weiter unklar. Der Hersteller Pfizer machte auch
am Montag keine näheren Angaben zu den drei zurückgerufenen Chargen,
die zuständige Berliner Aufsichtsbehörde ließ eine Anfrage zunächst

unbeantwortet. Der Pharmaexperte Gerd Glaeske (Universität Bremen)
sagte der Deutschen Presse-Agentur, eine Charge umfasse normalerweise
mehrere Tausend Packungen. Pfizer hatte am Wochenende erklärt, der
Rückruf betreffe «eine niedrige Anzahl» von Packungen.

Glaeske kritisierte angesichts der Behördenwarnung vor ungewollten
Schwangerschaften die Kommunikationspolitik des Herstellers. «Gerade
unter dem Aspekt der eingeschränkten Zuverlässigkeit der Verhütung

sollte mit dem Rückruf eine öffentliche Warnung einhergehen», sagte
der Wissenschaftler. Bis zum Montagnachmittag war aber zum Beispiel
auf der Pfizer-Webseite keine Information zum «Trigoa»-Rückruf zu
finden - weder über Modalitäten der Rückgabe betroffener Packungen

noch zur weiteren Einnahme der Pille für betroffene Anwenderinnen.

Das Berliner Landesamt für Gesundheit und Soziales (Lageso) hatte den
Rückruf am Freitag in einer Pressemitteilung publik gemacht, aber
kaum Details genannt. Bereits drei Tage vorher, am 4. Dezember, hatte
ein Apotheken-Fachmagazin im Internet über die fehlerhaften Chargen
berichtet. Eine Pfizer-Sprecherin erklärte auf Anfrage: «Die
Information zum Rückruf von drei Trigoa-Chargen ist in Abstimmung mit
den hier zuständigen Behörden erfolgt. Unsere Informationen erfolgen
in Einklang mit dieser Abstimmung.» So seien beispielsweise Ärzte und
Apotheken in ganz Deutschland aktiv informiert worden. Weitere
Informationen seien derzeit nicht geplant.

Glaeske betonte, im Fall von Schwangerschaften sei der Hersteller
nach seiner Einschätzung «haftbar zu machen für Folgen mangelnder
Produktqualität». Fehler wie falsch bedruckte Durchdrückverpackungen

müssten aus seiner Sicht in der Qualitätssicherung des Herstellers
auffallen. Da zunehmend im Ausland produziert werde, fielen Fehler
manchmal aber erst den Anwendern oder Apothekern auf. Das
Online-Magazin «Apotheke Adhoc» schrieb im Zusammenhang mit den
falschen «Trigoa»-Blistern, Pfizer habe die Produktionsstätte
verlagert, die Pille werde nun in Irland produziert. Das Unternehmen
selbst reagierte nicht auf die Frage, wie der Fehler passierte.

«Trigoa» ist ein sogenanntes Dreiphasenpräparat, das bereits seit
vielen Jahren auf dem Markt ist. Die Dragees sind unterschiedlich
hoch dosiert und haben verschiedene Farben. Laut Anleitung werden
zuerst die sechs hellbraunen, dann die fünf weißen und schließlich
die zehn ockerfarbenen Dragees eingenommen. Bei den Chargen X34106,
X51153 und W98332 war aber die Beschriftung falsch. Es könne zu
Anwendungsfehlern und ungewollter Schwangerschaft kommen, warnte das
Lageso.

Frauenärzte rechnen deshalb nun aber nicht mit reihenweise
Schwangerschaften. Die in der Pille enthaltenen synthetischen Hormone
seien «zu jedem Zeitpunkt ausreichend hoch dosiert, um einen Eisprung
zu verhindern, auch dann, wenn die Dragees in einer falschen
Reihenfolge eingenommen werden», erklärte der Präsident des
Berufsverbandes der Frauenärzte, Christian Albring, am Montag auf
Anfrage. «Das gilt, solange eine regelmäßige, tägliche Einnahme all
e
24 Stunden gesichert ist.» Etwaige Folgen für den Hormonhaushalt
betroffener Frauen waren zunächst unklar.

Laut einem am Montag auf der Webseite des Bundesinstituts für
Arzneimittel und Medizinprodukte veröffentlichten Hinweis an
Apotheker und Ärzte sollten Frauen über den Rückruf informiert
werden, die zwischen dem 27. November und dem 6. Dezember ein
entsprechendes Rezept eingelöst haben könnten - ein drei Tage
längerer Zeitraum als in ersten Behördenangaben. Packungen aus den
betroffenen Chargen sollten über Apotheken zurückgegeben werden. Bei

Rückrufen prüfen Apotheker zudem ihre Lagerbestände, so dass
beanstandete Chargen nicht mehr ausgegeben werden.