Koalition ringt um Kompromiss bei Werbeverbot für Abtreibung

Was ist sachliche Information? Was ist unzulässige Werbung? Bei
Schwangerschaftsabbrüchen sind das heikle Fragen - die seit Monaten
die Koalition belasten. Gibt es nun Chancen auf eine Einigung?

Berlin (dpa) - Die große Koalition ringt weiter um einen Kompromiss
im Streit über das Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche. Die neue

CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer und SPD-Chefin Andrea
Nahles führten am Sonntagabend ihr erstes längeres Gespräch seit dem

Wechsel an der CDU-Spitze. Eine Einigung in dieser Frage gibt es
allerdings noch nicht: «Wir sind da in gutem Austausch, aber wir sind
auch noch nicht am Ende unserer Diskussion», sagte Kramp-Karrenbauer
nach dem Telefonat mit Nahles in der ARD.

Sie bekräftigte, sie sei gegen eine Streichung des Paragrafen 219a:
«Das Werbeverbot soll und darf nicht abgeschafft werden.» Sie wolle
sachliche Informationen für Frauen, die sich über eine Abtreibung
unterrichten wollten. Die Regierung habe den Auftrag, dazu einen
Vorschlag vorzulegen. «Wenn dieser Vorschlag auf dem Tisch legt,
werden wir das bewerten», sagte Kramp-Karrenbauer.

Nahles steht in dem Konflikt erheblich unter Druck. Sie hatte im März
mit Rücksicht auf die Union einen Antrag zur Änderung des Paragrafen
219a zurückgezogen, seither wird in der Bundesregierung über einen
Kompromiss verhandelt. Die SPD-Chefin hatte ihrer Partei zugesagt,
bis zum Herbst eine Lösung mit der Union zu finden. Am Mittwochabend
tagt erstmals der Koalitionsausschuss mit Kramp-Karrenbauer als
Parteichefin. Dort könnte eine Einigung gefunden werden.

Nach Informationen der Funke-Zeitungen haben Justizministerin
Katarina Barley (SPD), Familienministerin Franziska Giffey (SPD),
Kanzleramtschef Helge Braun (CDU), Gesundheitsminister Jens Spahn
(CDU) und CSU-Chef Horst Seehofer bereits einen Kompromissvorschlag
ausgehandelt. Aus Rücksicht auf den jüngsten CDU-Parteitag sei dieser
bislang aber nicht öffentlich gemacht worden. Eine mögliche Lösung
könnte sein, das Gesetz nicht anzufassen, aber Ärzten in der
Beratungspraxis betroffener Frauen mehr Spielraum zu geben, heißt es
in dem Bericht.

Der frühere SPD-Chef Martin Schulz plädierte dafür, die Frage zur
Gewissensentscheidung zu erklären. Wenn Unions-Abgeordnete der
Ansicht seien, sie könnten eine Abschaffung des Werbeverbotes nicht
mittragen, müsse man das respektieren, sagte er in der ARD-Sendung
«Anne Will». «Ich finde, der Bundestag sollte den Abgeordneten hier
die Möglichkeit geben, frei abzustimmen.»

Der SPD-Bundestagsabgeordnete Florian Post hat bereits gedroht, in
der Fraktion einen entsprechenden Antrag zu stellen, wenn Nahles bis
Dienstag keine Einigung mit der Union erreicht. Dann könnte der
Bundestag den Paragrafen 219a mit den Stimmen von SPD, FDP, Linken
und Grünen ändern. Der Paragraf verbietet es, für Abtreibungen zu
werben. Gegner der Regelung argumentieren, dass so auch sachliche
Informationen für ungewollt schwangere Frauen verhindert würden.