CDU sucht mit Kramp-Karrenbauer an der Spitze neuen Aufbruch

Nach 18 Jahren an der CDU-Spitze tritt Merkel ab - und wird vom
Parteitag noch einmal bejubelt. Die Delegierten erfüllen ihr wohl
einen Herzenswunsch und wählen Kramp-Karrenbauer zur Nachfolgerin.
Die konservative Wende der CDU ist erst einmal abgesagt.

Hamburg (dpa) - Die CDU hat Annegret Kramp-Karrenbauer in einem
dramatischen Wahlfinale zu ihrer neuen Bundesvorsitzenden und
Nachfolgerin von Angela Merkel gekürt. Nach einer emotionalen Rede
setzte sich die Saarländerin am Freitag beim Bundesparteitag in
Hamburg in einer Stichwahl knapp gegen den früheren
Unionsfraktionschef Friedrich Merz durch. Bundesgesundheitsminister
Jens Spahn war bereits im ersten Wahlgang ausgeschieden.

Die Siegerin und die Verlierer riefen die CDU nach der Abstimmung
einhellig zur Geschlossenheit auf. Alle drei lobten den «fairen
Wettbewerb» nach 18 Jahren mit Merkel an der Parteispitze. «Dieser
Aufschwung muss weitergehen», sagte Kramp-Karrenbauer.

Die bisherige CDU-Generalsekretärin Kramp-Karrenbauer erhielt im
zweiten Wahlgang knapp 52 Prozent der Stimmen. Für Merz entschieden
sich gut 48 Prozent der Delegierten. Spahn war im ersten Wahlgang
abgeschlagen auf knapp 16 Prozent der Stimmen gekommen.
Offensichtlich waren überraschend viele Unterstützer Spahns im
letzten Wahlgang zu Kramp-Karrenbauer gewechselt.

Die bisherigen Stellvertreter der Vorsitzenden, Hessens
Ministerpräsident Volker Bouffier, Verteidigungsministerin Ursula von
der Leyen, Landwirtschaftsministerin Julia Klöckner,
NRW-Ministerpräsident Armin Laschet und Baden-Württembergs
Innenminister Thomas Strobl wurden im Amt bestätigt.

Merkel bleibt Regierungschefin. In ihrer letzten Rede als
Parteichefin sagte sie: «Für meine Verbundenheit mit der Partei
brauche ich keinen Parteivorsitz - und Bundeskanzlerin bin ich ja
auch noch.» Merkel erklärte, die CDU könne auch in Zeiten von
Polarisierung und AfD gute Ergebnisse erringen, «wenn wir geschlossen
und entschlossen kämpfen». Sie betonte: «Wohin uns nicht enden
wollender Streit führt, dass haben CDU und CSU in den letzten Jahren
bitter erfahren.» Ihrer Partei wünsche sie für die Zukunft auch
«Fröhlichkeit im Herzen».

Kramp-Karrenbauer hatte in ihrer Bewerbungsrede erklärt, die CDU
müsse eine Partei sein, die Mut hat - anstatt «ängstlich nach recht
s
und nach links zu schauen». Merz forderte, von diesem Parteitag müsse
«ein Signal des Aufbruchs und der Erneuerung» ausgehen. Er ging auf
Fehler der Vergangenheit ein und sagte: «Ohne klare Positionen
bekommen wir keine besseren Wahlergebnisse.» Spahn sagte, die Partei
müsse «mutig vorangehen, Debatten führen, Gegenwind aushalten».
Deutschland sollte endlich wieder in der Lage sein, Brücken
rechtzeitig zu sanieren und funktionstüchtige Flughäfen zu bauen.

Bouffier führte den Erfolg Kramp-Karrenbauers auch auf ihre Rede vor
den Delegierten zurück. «Es spricht sicher sehr für Annegret
Kramp-Karrenbauer, dass sie die Partei sehr unmittelbar angesprochen
hat und auch das Herz der Partei erreicht hat», sagte er der dpa.

Sachsen Ministerpräsident Michael Kretschmer hofft nach der
Veränderung an der Parteispitze wieder auf mehr Zustimmung für die
CDU auch im Osten. «Ich traue der Annegret Kramp-Karrenbauer zu, dass
sie genau das hinbekommt», sagte er der dpa. «Deshalb setzen wir
darauf, dass sie alle Flügel einbindet und dass wir einen richtigen
Ruck in dieser Partei und in diesem Land bekommen»

Kramp-Karrenbauer reagierte gerührt auf das Vertrauen, das ihr die
Delegierten mit dem Wahlergebnis aussprachen und bedankte sich bei
Spahn und Merz für den «fairen Wettbewerb». Merz wollte zunächst
nicht für einen anderen Posten kandidieren. Der Wirtschaftsanwalt aus
dem Sauerland empfahl den Delegierten, Spahn ins Präsidium zu wählen.
Es war das erste Mal seit 1971, dass die CDU-Delegierten bei der Wahl
ihres Vorsitzenden zwischen mehreren Kandidaten entscheiden konnten.

Unklar blieb zunächst, mit wem Kramp-Karrenbauer als Generalsekretär
zusammenarbeiten will. Sie kündigte aber an, ihre Entscheidung noch
auf dem zweitägigen Parteitag kund zu tun.

Bundesinnenminister Horst Seehofer, der am 19. Januar als CSU-Chef
abtreten wird, schrieb auf Twitter: «Meine herzlichen Glückwünsche
zur Wahl zur neuen Vorsitzenden der CDU. Viel Glück und Erfolg im
neuen Amt! Auf gute Zusammenarbeit mit der CSU!» Die Vorsitzende der
AfD-Bundestagsfraktion, Alice Weidel, erklärte, Kramp-Karrenbauer sei
eine neue Version von Merkel. Mit ihr werde sich der «Linkskurs der
CDU fortsetzen». SPD-Chefin Andrea Nahles sagte der neuen CDU-Chefin
via Twitter: «Sie treten in große Fußstapfen» und bot ihr «gute
Zusammenarbeit» an. «Wir freuen uns auf einen spannenden politischen
Wettbewerb», erklärten die Grünen-Vorsitzenden Annalena Baerbock und

Robert Habeck.

Merkel wurde nach ihrer Rede von den 1001 Delegierten mit knapp zehn
Minuten Applaus gewürdigt. Viele hielten Schilder mit der Aufschrift
«Danke, Chefin» hoch. Die Kanzlerin war den Tränen sichtlich nahe.
Ende Oktober hatte sie nach Kritik und Wahlschlappen in Bayern und
Hessen ihren Rückzug von der CDU-Spitze erklärt.

Den Parteitag nutzte Merkel auch für einen Blick zurück. Sie sagte,
die CDU habe nach der Parteispendenaffäre unter Bundeskanzler Helmut
Kohl nicht klein beigegeben, sondern «wir haben es allen gezeigt».
Sie betonte, die Aussetzung der Wehrpflicht 2011 sei richtig gewesen,
und verteidigte ihre Entscheidung von 2015, Flüchtlinge von der
sogenannten Balkanroute in Deutschland aufzunehmen.

Die Stimmung zwischen den Merz- und Kramp-Karrenbauer-Lagern hatte
sich kurz vor dem Parteitag verschärft - vor allem nachdem sich
Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble öffentlich hinter Merz gestellt

hatte. Kramp-Karrenbauer erhielt kurz vor der Wahl noch Schützenhilfe
von Armin Schuster aus Baden-Württemberg, einem der schärfsten
innerparteilichen Kritiker Merkels während der Flüchtlingskrise. Der
Bundestagsabgeordnete kündigte auf Twitter an, er wolle «AKK» wähle
n.

Der Parteitag sollte nach dem Willen des Bundesvorstands auch noch
einen Beschluss zum umstrittenen UN-Migrationspakt fassen. Dazu wird
es aber voraussichtlich erst am Samstag kommen. Die Wähler reagierten
zuletzt positiv auf die Wechselstimmung bei den Christdemokraten. Im
neuen ARD-Deutschlandtrend gewannen CDU und CSU vier Prozentpunkte
hinzu und kamen somit auf 30 Prozent.

Der Chef des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Dieter
Kempf, sagte: «Die hohe Zustimmung auch für Herrn Merz beweist, dass
es in der CDU eine große Nachfrage nach neuen wirtschaftspolitischen
Impulsen gibt - Stichwort Steuerreform.»