Umstrittene E-Zigarette Juul aus den USA kommt nach Deutschland Von Magdalena Tröndle, dpa

Juul ist in den USA extrem erfolgreich - und hoch umstritten: Auch
unter Schülern ist die E-Zigarette, die an einen USB-Stick erinnert,
immens beliebt. Nun kommt sie auf den deutschen Markt.

Washington/Hamburg (dpa) - Die unscheinbare E-Zigarette mit dem Namen
Juul sieht aus wie ein zu langer USB-Stick und ist für Nathan Behr
nicht mehr aus seinem Leben wegzudenken. Seit sein Mitbewohner ihm
vor etwa einem Jahr ein Starter-Kit mit vier Geschmacksrichtungen
schenkte, verzichtet der 20-Jährige, der gerade in Washington
studiert, auf herkömmliche Tabak-Zigaretten. Heute «juult» er - so
wie viele seiner Kommilitonen und Millionen anderer Amerikaner.

Die US-Gesundheitsbehörde FDA schlägt Alarm - insbesondere auch wegen
der vielen Schüler, die an Juul ziehen. Und ab Mittwoch (19.12.) wird
die stark nikotinhaltige und daher sehr suchterregende E-Zigarette
auch in Deutschland erhältlich sein.

«Juul» und «juulen» sind Ausdrücke, die an Universitäten und
High-Schools in den USA mittlerweile fast jeder kennt. Die
E-Zigarette, die seit etwa drei Jahren in Geschmacksrichtungen wie
Mint, Mango oder Tabak auf dem amerikanischen Markt erhältlich ist,
hat sich rasend schnell in den USA verbreitet. Juul besteht wie
andere E-Zigaretten aus einer Batterie, einem Erhitzer und einer
kleinen Kapsel mit Flüssigkeit. Aufgeladen wird sie über einen
USB-Anschluss. Manche bezeichnen sie als das iPhone unter den
E-Zigaretten. Sie ist stylisch, stark - und umstritten.

In Deutschland soll Juul zunächst in 1000 Tabak- und Spezialshops
verkauft werden. Die E-Zigarette soll hierzulande allerdings weniger
Nikotin enthalten, als in den USA üblich ist. Der Geschäftsführer von

Juul Labs Deutschland, Markus Kramer, teilte in Hamburg mit: «Juul
sollte weder von Kindern oder Jugendlichen noch von (erwachsenen)
Nicht-Rauchern genutzt werden.» Dennoch greifen in den USA nach einer
neuen Studie der US-Gesundheitsbehörde auch zahlreiche Minderjährige
zur E-Zigarette. Für viele dürfte es der erste Kontakt mit dem
Suchtmittel Nikotin sein.

Nach Firmenangaben hat sich Juul Labs das Ziel gesetzt, erwachsene
Raucher herkömmlicher Zigaretten zum Umstieg auf Juul zu bewegen -
E-Zigaretten gelten als weniger schädlich als Tabak. Selbst der
Geschäftsführer des US-Unternehmens Juul Labs, Kevin Burns, räumt
allerdings ein «unbeabsichtigtes und ernstes Problem» ein: «Die
Nutzung von E-Zigaretten, inklusive Juul, bei Minderjährigen.»

Juul-Raucher Behr sagt: «Weil es einfach so lecker schmeckt, will man
es die ganze Zeit.» Mango sei immer seine
Lieblings-Geschmacksrichtung gewesen, inzwischen kaufe er aber andere
Varianten, erzählt der Student. Er habe beinahe durchgehend an seiner
Juul gezogen, das habe ihm nicht gutgetan. Wenn er Mango zu Hause
gehabt habe, habe er eine ganze Kapsel am Tag geraucht.

Die verkaufsüblichen Juul-Kapseln in den USA enthalten 59 Milligramm
Nikotin pro Milliliter. Das entspricht einer Nikotin-Konzentration
von 5 Prozent und ist selbst für erfahrene Raucher extrem viel. Erst
seit einigen Monaten sind in den USA auch Kapseln mit geringeren
Dosierungen erhältlich. In EU-Mitgliedstaaten dürfen E-Liquids
maximal 20 Milligramm Nikotin pro Milliliter (1,7 Prozent) enthalten.
Das werde auch bei den Produkten, die nun auf den deutschen Markt
kommen, der Fall sein, bestätigt Kramer der Deutschen Presse-Agentur.

Ute Mons vom Deutschen Krebsforschungszentrum hat in jedem Fall große
Bedenken. «Auch wenn E-Zigaretten deutlich weniger Schadstoffe
enthalten als herkömmliche Zigaretten, sind sie gesundheitlich
bedenklich und besitzen ein Abhängigkeitspotenzial - letzteres gilt
insbesondere für Juul, die selbst bei Einhalten der gesetzlichen
Vorgaben mit 20 Milligramm pro Milliliter sehr viel Nikotin enthält.»

Auch die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler
(CSU), sagte im vergangenen Monat: «Der Fall Juul zeigt, dass man den
E-Zigarettenmarkt nicht sich selbst überlassen kann. Wir müssen uns
genau anschauen, ob die aktuelle Obergrenze beim Nikotin so in
Ordnung ist.»

In den USA begegnet man Juul überwiegend in der hochkonzentrierten
Variante, mittlerweile an allen möglichen Orten: In Studenten-WGs, an
U-Bahnstationen, aber auch auf Schulhöfen. Der US-Comedian Dave
Chappelle «juult» während einer seiner neuen Netflix-Shows auf der
Bühne vor seinem Publikum. Erlaubt ist das nicht, schließlich gelten
die US-Rauchverbote wie in Deutschland auch für E-Zigaretten. Und die
sind in den USA besonders streng.

Die US-Gesundheitsbehörde FDA veröffentlichte im November
alarmierende Zahlen zur Nutzung von E-Zigaretten unter Schülern in
den USA. Die Zahl der US-Konsumenten in der Mittel- und Oberstufe sei
innerhalb eines Jahres um 1,5 Millionen angestiegen, hieß es in einer
Studie. Mehr als 3,6 Millionen Schüler hätten angegeben, in den
vergangenen dreißig Tagen eine E-Zigarette geraucht zu haben. Alleine
an den High Schools habe die Zahl der Nutzer innerhalb eines Jahres
um 78 Prozent zugenommen - dort raucht demnach inzwischen mehr als
jeder fünfte Schüler E-Zigarette.

Die Studie macht dafür vor allem Anbieter verantwortlich, die
besonders fruchtige oder süße Geschmacksrichtungen in Kombination mit
einem hohen Nikotin-Gehalt anbieten. Namentlich wird die Marke Juul
genannt. «Ich werde nicht zulassen, dass eine Generation von Kindern
durch E-Zigaretten vom Nikotin abhängig wird», kommentierte FDA-Chef
Scott Gottlieb die Ergebnisse. Er forderte strengere
Marketing-Maßnahmen von Seiten der Unternehmen.

Juul reagierte und legte einen Aktionsplan vor. Darin kündigte der
Konzern unter anderem an, Werbung auf Social Media einzustellen und
den Verkauf von bestimmten Sorten im Einzelhandel zu stoppen. Diese
Geschmacksrichtungen sollen nur noch online erhältlich sein - nach
einer strengen Überprüfung des Mindestalters.

Deutschland-Chef Kramer beteuert, Juul werde «nicht nur die jeweilige
Gesetzgebung zum Jugendschutz befolgen, sondern über die gesetzlichen
Vorgaben hinausgehen». Ute Mons vom Deutschen Krebsforschungszentrum
warnt trotzdem: «Der Erfolg von Juul bei Jugendlichen in den USA
sollte uns ein mahnendes Beispiel sein.»