Merkel: Auswahl unter Nachfolgekandidaten ist «Demokratie pur»

An diesem Freitag geht die Ära von Kanzlerin Angela Merkel als
CDU-Chefin zu Ende. Auf dem Parteitag wird ein Kopf-an-Kopf-Rennen
zwischen Annegret Kramp-Karrenbauer und Friedrich Merz um die
Nachfolge erwartet. Die Nervosität in beiden Lagern ist groß.

Hamburg (dpa) - Kanzlerin Angela Merkel hat sich vor der mit Spannung
erwarteten Kampfabstimmung über ihre Nachfolge als CDU-Vorsitzende
gelassen gezeigt. Auf die 1001 Delegierten des am Freitag beginnenden
Parteitages in Hamburg «kommt natürlich eine wichtige Aufgabe zu,
damit auch die Weichen für die zukünftige Führungsmannschaft zu
stellen», sagte Merkel am Donnerstag bei ihrem traditionellen
Rundgang durch die Parteitagshalle. Sie freue sich «auf den Tag
morgen und bin wie alle anderen auch natürlich gespannt. Das ist
Demokratie pur, wenn Auswahl besteht. Und den Rest werden die
Delegierten entscheiden.»

Als prominenteste Bewerber um die Nachfolge von Merkel als
CDU-Vorsitzende an diesem Freitag gelten Generalsekretärin Annegret
Kramp-Karrenbauer, Ex-Unionsfraktionschef Friedrich Merz und
Gesundheitsminister Jens Spahn. Nach dpa-Informationen aus der Partei
deutet sich zwischen Kramp-Karrenbauer und Merz ein
Kopf-an-Kopf-Rennen an - Spahn gilt als weitgehend chancenlos.

Merkel machte bei ihrem Rundgang durch die Halle auf dem Hamburger
Messegelände erneut klar, dass sie gewillt ist, mit einer oder einem
neuen Vorsitzenden als Kanzlerin weiterzuarbeiten. Es sei der
Zeitpunkt gekommen, «wo einfach für die Bundestagswahl auch die
Vorbereitungen getroffen werden müssen in Zeiten, die sich sehr stark
ändern». Merkel betonte: «Ich bin dankbar für diese Zeit, die hinte
r
mir liegt und freue mich, als Bundeskanzlerin noch weiter arbeiten zu
können.»

Auf die Frage, ob sie bei einer möglichen Stichwahl zwischen
Kramp-Karrenbauer und Merz eine Spaltung der Partei in verschiedene
Lager befürchte, sagte Merkel: «Ich glaube, dass wir alle wissen,
dass wir in einer Demokratie leben, dass wir Meinungsfreiheit,
Pressefreiheit kennen.» Das sei sehr gut so. «Und genau in diesem
Rahmen hat sich auch das abgespielt, was wir jetzt haben: Eine
lebendige Demokratie, eine lebendige Meinungslandschaft und
glücklicherweise eine Pressefreiheit, die den Journalisten erlaubt,
darüber zu sprechen.»

Merkel sprach von einem ganz besonderen Parteitag, weil auch die
Vorsitzende oder der Vorsitzende der CDU Deutschlands neu gewählt
würden. «Das hatten wir viele Jahre nicht.» Deshalb habe es auch eine

intensive Vorbereitung in den sehr gut besuchten Regionalkonferenzen
gegeben, auf denen sich die drei aussichtsreichsten Bewerber der
Basis präsentierten.

Auf die Frage, was in ihr vor ihrem letzten Parteitag als Vorsitzende
vorgehe, sagte Merkel: «Es fühlt sich so an, dass ich sehr dankbar
bin.» Sie sei seit mehr als 18 Jahren Parteivorsitzende. «Das ist
eine lange, lange Zeit. Und in dieser Zeit hat die CDU natürlich
Höhen und Tiefen erlebt.» Die Partei habe in dieser Zeit aber auch
viermal so bei einer Bundestagswahl abgeschnitten, «dass wir die
Bundeskanzlerin stellen. Und das ist etwas, wo wir den Wählern zu
Dank verpflichtet sind.»

CDU-Bundesgeschäftsführer Klaus Schüler sagte in Hamburg, neben
Kramp-Karrenbauer, Merz und Spahn gebe es 15 weitere Mitglieder, die
gegenüber der Parteizentrale die Bereitschaft bekundet hätten, als
Vorsitzende zu kandidieren. Keiner davon habe aber bisher die
notwendige Unterstützung aus der Partei vorweisen können.

Auf dem Parteitag soll es laut Schüler an diesem Freitag eine Frist
bis 12.30 Uhr geben, bis zu der Personalvorschläge für die Wahlgänge

vorgelegt werden können. Für eine Teilnahme an der Wahl müssen
mögliche Mitbewerber offiziell von einem Delegierten als Kandidat
vorgeschlagen werden. Delegierte können sich allerdings auch selbst
als Kandidaten vorschlagen.

Über den Vorstoß des Unions-Mittelstands-Chefs Carsten Linnemann,
inhaltliche Debatten wie etwa über den Antrag des Bundesvorstands zur
Sozialen Marktwirtschaft nicht in Hamburg, sondern auf einem
Sonderparteitag vor der Europawahl im Mai zu beraten, habe er bislang
lediglich aus der Zeitung erfahren, sagte Schüler. Linnemann müsse
den Vorschlag per Initiativantrag auf dem Parteitag machen. Der
Unions-Mittelstand will mit einer Vertagung der inhaltlichen Debatte
erreichen, dass wichtige Diskussionen nicht angesichts der
Personalentscheidungen in den Hintergrund geraten.