Der «Showdown» naht - Merz legt im Wettstreit um den CDU-Vorsitz nach Von Andreas Hoenig, dpa

«AKK» oder Merz: Diese beiden Kandidaten dürften die besten Chancen
haben, wenn es am Freitag beim Bundesparteitag um den CDU-Vorsitz
geht. Wie positionieren sie sich im Endspurt?

Berlin/Leipzig (dpa) - Der Wettstreit um den CDU-Vorsitz geht in die
entscheidende Woche - und vor allem Friedrich Merz hat am Wochenende
versucht, auf Offensive zu schalten. Der frühere Unions-Fraktionschef
verschärfte seine Kritik am Kurs der Bundesregierung in der
Migrationspolitik, forderte Steuervorteile bei der Altersvorsorge
über Aktien und traut sich zu, Wähler von der AfD zurückzuholen.
Seine schärfste Konkurrentin, Generalsekretärin Annegret
Kramp-Karrenbauer, verwies dagegen auf ihre lange Regierungserfahrung
als frühere saarländische Ministerpräsidentin und ließ es in einem

Interview «menscheln».

Kramp-Karrenbauer und Merz werden bei der Wahl auf dem CDU-Parteitag
in Hamburg am kommenden Freitag die besten Chancen auf die Nachfolge
von Angela Merkel eingeräumt, die nach 18 Jahren im Amt nicht wieder
als Parteivorsitzende kandidiert. Sie will aber bis zum Ende der
Legislaturperiode 2021 Kanzlerin bleiben.

Zur Migrationspolitik sagte Merz am Samstag bei einem Landesparteitag
der sächsischen CDU in Leipzig: «Offene Grenzen können keine
Einladung dafür sein, einen ungeregelten Zuzug in die Bundesrepublik
Deutschland zuzulassen, über den wir bis heute die Kontrolle nicht
zurückgewonnen haben.» Man müsse, wenn es gar nicht anders gehe, auch

Grenzkontrollen einführen. «Nach wie vor sind ungefähr 200 000 bis
250 000 Migranten in Deutschland, über deren Aufenthalt und über
deren Herkunft wir nichts wissen. Das sind Dinge, die wir eben nicht
zulassen dürfen, wenn wir nicht in Kauf nehmen wollen, dass daraus
politische extreme Parteien entstehen», sagte Merz auch mit Blick auf
das Erstarken der AfD.

Der 63-Jährige, der neun Jahre lang nicht in der aktiven Politik war,
hatte innerparteilich viel Widerspruch bekommen für seine Behauptung,
die CDU habe dem Aufstieg der AfD mehr oder weniger «achselzuckend»
zugesehen. Kramp-Karrenbauer hatte die Äußerungen bereits scharf
zurückgewiesen, am Samstag sagt sie in Leipzig: «Man kann über vieles

streiten, ob wir da alles richtig gemacht haben.» In den vergangenen
Jahren aber seien «unzählig viele Mitglieder» in die
Auseinandersetzung mit der AfD gegangen: «Und die haben es nicht
verdient, dass man sie pauschal so ein bisschen mit dem Vorwurf
belegt, wir hätten da nicht genügend getan.»

Der dritte aussichtsreiche Kandidat für den Parteivorsitz,
Gesundheitsminister Jens Spahn, forderte, die Führungskräfte der CDU
müssten in die Hochburgen der AfD gehen und das unvoreingenommene
Gespräch suchen: «Was wir doch brauchen, ist ein
AfD-Wähler-Aussteigerprogramm.»

Merz selbst bekräftigte seine Kritik. «Teile der CDU unterschätzen
die politische Gefahr, die von der AfD ausgeht», sagte er dem
«Spiegel». Es sei nicht hinnehmbar, dass die AfD in allen Landtagen
und mit 12,6 Prozent im Bundestag sitze. «Und ich traue mir zu, das
zu ändern.»

Auch bei einem anderen Thema unterstrich Merz seine Position.
Altersvorsorge über Aktien sollte nach seiner Auffassung steuerlich
begünstigt werden. «Wir sollten die Aktienmärkte nutzen, um
langfristig eine bessere Vermögens- und Kapitalbildung in den
privaten Haushalten zu schaffen», sagte der frühere
Unionsfraktionschef der «Welt am Sonntag». Dann werde für viele
Menschen in Deutschland der Erwerb eines Eigenheims leichter werden.

«Ich spreche über eine ergänzende Altersvorsorge, die neben die
gesetzliche Rentenversicherung treten muss», sagte Merz in der
ARD-Sendung «Bericht aus Berlin». Es gebe bereits eine ganze Reihe
von steuerlichen Begünstigungen. «Ich würde die gerne bündeln, ich

würde sie gerne konzentrieren, ich würde sie vor allem gerne auf die
Altersversorgung ausrichten.» Merz ist Aufsichtsratsvorsitzender beim
Vermögensverwalter Blackrock Deutschland - Blackrock ist der größte
Vermögensverwalter der Welt.

Kramp-Karrenbauer sagte der «Bild am Sonntag» auf die Frage, warum
sie sich für besser geeignet halte als Merz: «Ich bringe eine sehr
profunde Kenntnis der Partei mit ein, weil ich viele Jahre
Verantwortung für sie getragen habe.» Außerdem habe sie Erfahrung als

Wahlkämpferin: «Ich weiß es, wie es ist, als Spitzenkandidatin auch
dann erfolgreich zu sein, wenn einem der Wind ins Gesicht weht.»

Die frühere Ministerpräsidentin verwies damit indirekt auf ihren
Erfolg bei der Landtagswahl im Saarland im März 2017 - trotz des
damaligen Höhenflugs der SPD in Umfragen unter ihrem damals frisch
gekürten Kanzlerkandidaten Martin Schulz und des unionsinternen
Streits um die Flüchtlingspolitik. Kramp-Karrenbauer gab ihr Amt als
Regierungschefin, das sie seit 2011 innehatte, im Februar 2018 für
den Posten der CDU-Generalsekretärin auf. Merz dagegen stand noch nie
als Spitzenkandidat in einem Wahlkampf.

Kramp-Karrenbauer gab in dem Interview außerdem viel Privates preis:
Sie sei eine brave Schülerin gewesen und habe nicht viel übrig für
Rebellentum gehabt. «Ich war eher das Modell Streberin, wobei ich
nicht immer Bestnoten hatte.» Sie habe nie «blau gemacht», gekifft
habe sie ebenfalls nie.