Kampf um CDU-Vorsitz: Merz legt bei Kritik an Migrationspolitik nach

Die Spannung steigt. Am Freitag geht es in Hamburg bei der CDU um die
Nachfolge von Merkel als Parteivorsitzende. Der neue Mann oder die
neue Frau an der CDU-Spitze bekommt es 2019 mit wichtigen Wahlen zu
tun. Wie geht die Partei mit der AfD um?

Leipzig/Berlin (dpa) - Im Kampf um den künftigen CDU-Vorsitz hat
Friedrich Merz in seiner Kritik am Migrationskurs der Bundesregierung
nachgelegt. Der frühere Unionsfraktionschef sagte am Samstag beim
Landesparteitag der sächsischen CDU in Leipzig: «Es geht nicht, dass
der Staat einräumen muss, dass er zeitweise die Kontrolle verliert
darüber, wer denn in das Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland
einreist. Und dann muss man eben, wenn es gar nicht anders geht, auch
Grenzkontrollen einführen, um einen ungeregelten Zuzug in die
Bundesrepublik Deutschland zu verhindern.»

Merz, der neun Jahr lang nicht in der aktiven Politik war, hatte die
Migrationspolitik bereits wiederholt kritisiert. Ihm werden neben
CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer die besten Chancen
auf die Nachfolge von Angela Merkel eingeräumt. Merkel hatte auch
unter dem Druck von Wahlschlappen angekündigt, nach 18 Jahren im Amt
nicht wieder als CDU-Vorsitzende zu kandidieren. Sie will aber bis
zum Ende der Legislaturperiode Kanzlerin bleiben.

Kramp-Karrenbauer, Merz sowie Gesundheitsminister Jens Spahn hatten
sich in den vergangenen zwei Wochen auf acht Regionalkonferenzen der
Basis vorgestellt. Ihr Besuch beim Landesparteitag in Leipzig war der
voraussichtlich letzte gemeinsame Auftritt vor der Wahl auf dem
Bundesparteitag in Hamburg am kommenden Freitag. In Sachsen wird im
Herbst 2019 ein neuer Landtag gewählt, ebenso wie in Brandenburg und
Thüringen. In allen drei Ländern liegt die AfD laut aktueller
Umfragen bei mehr als 20 Prozent. Daneben steht im Mai die Europawahl
an.

Merz sagte, mit der CDU müsse «Lösungskompetenz» verbunden werden
.
«Die Bundeskanzlerin hat selbst gesagt, so etwas wie 2015/2016 darf
sich nicht wiederholen. Und ich will das noch einmal unterstreichen:
Es darf sich in der Tat nicht wiederholen, dass wir eine solche
Situation erleben wie 2015/16», meinte er unter Beifall mit Blick auf
die Flüchtlingskrise. «Ich will übrigens der Bundeskanzlerin die gute

Absicht an dieser Stelle gar nicht absprechen», fügte Merz hinzu.

Er sei durch und durch ein überzeugter Europäer: «Aber offene Grenzen

können keine Einladung dafür sein, einen ungeregelten Zuzug in die
Bundesrepublik Deutschland zuzulassen, über den wir bis heute die
Kontrolle nicht zurückgewonnen haben. Denn nach wie vor sind ungefähr
200 000 bis 250 000 Migranten in Deutschland, über deren Aufenthalt
und über deren Herkunft wir nichts wissen», so Merz. «Das sind Dinge,

die wir eben nicht zulassen dürfen, wenn wir nicht in Kauf nehmen
wollen, dass daraus politische extreme Parteien entstehen», sagte er
mit Blick auf die rechtspopulistische AfD.

Merz hatte innerparteilich viel Widerspruch bekommen für seine
Behauptung, die CDU habe dem Aufstieg der AfD mehr oder weniger
«achselzuckend» zugesehen. So hatte Kramp-Karrenbauer die Äußerunge
n
bereits scharf zurückgewiesen.

«Man kann über vieles streiten, ob wir da alles richtig gemacht
haben», sagte Kramp-Karrenbauer in Leipzig. In den vergangenen Jahren
aber seien «unzählig viele Mitglieder» und Wahlkämpfer in die
Auseinandersetzung mit der AfD gegangen. «Und jeder, der das mal
gemacht hat, der weiß, was für eine hohe persönliche Kraft das
kostet, sich diesem Hass und dieser Feindschaft, die einem da
entgegenschlägt, tagtäglich zu stellen.» Dies sei das Verdienst
vieler Mitglieder: «Und die haben es nicht verdient, dass man sie
pauschal so ein bisschen mit dem Vorwurf belegt, wir hätten da nicht
genügend getan.»

Spahn sagte zur AfD: «Wir haben eine Mitverantwortung, auch in der
Führung der CDU, dass es sie jetzt in 16 Landtagen gibt und im
Bundestag.» Die CDU-Führungskräfte müssten in die Hochburgen der Af
D
gehen und das unvoreingenommene Gespräch suchen, wo die CDU Wähler
verloren habe: «Was wir doch brauchen, ist ein
AfD-Wähler-Aussteigerprogramm.»

Merz selbst bekräftigte seine Kritik. «Teile der CDU unterschätzen
die politische Gefahr, die von der AfD ausgeht», sagte er dem
«Spiegel». Es sei nicht hinnehmbar, dass die AfD in allen Landtagen
und mit 12,6 Prozent im Bundestag sitze. «Und ich traue mir zu, das
zu ändern», fügte er hinzu. «Mir läuft es eiskalt den Rücken
herunter, wenn in diesem Land Leute mit dem Hitlergruß durch die
Gegend laufen», sagte Merz dem Nachrichtenmagazin. «Da müssen wir
doch was dagegensetzen. Das ist das, was mich umtreibt und antreibt.»