CDU-Vorsitz: Noch eine Woche Zeit zum Punkten - Wird es heftiger? Von Von Ruppert Mayr, Stefan Kruse und Andreas Hoenig, dpa

Letzte Runde der CDU-Regionalkonferenzen. Wer folgt Kanzlerin Merkel
an der Parteispitze nach? Die Nervosität der Konkurrenten dürfte in
der Woche vor der Wahl erheblich zunehmen.

Berlin (dpa) - Am Schluss seiner Vorstellungsrede auf der achten und
letzten CDU-Regionalkonferenz wurde Friedrich Merz emotional. Immer
wieder werde gefragt, ob das gut gehe mit ihm als CDU-Chef und einer
Kanzlerin Angela Merkel, sagte er und rief dann in den Saal:
«Natürlich geht das gut.» Die CDU stehe in einer Koalition und sie
sei vertragstreu, bekräftigte er am Freitagabend in Berlin.

Im übrigen werde auf dem Parteitag in einer Woche nicht nur ein
Parteivorsitzender oder eine Parteivorsitzende gewählt, sondern der
gesamte Parteivorstand. «Wir brauchen eine Mannschaft, die dasteht
und die Aufgaben der Zukunft beherzt in die Hand nimmt.»

Friedrich Merz hatte offensichtlich Erklärungsbedarf. Angela Merkel
hat heute in der Welt, hat beim weltweiten Krisenmanagement so viel
Reputation wie selten zuvor. Und das, obwohl sie jetzt ihre
Machtbasis, den CDU-Vorsitz, aufgibt. US-Präsident Donald Trump, der
nun wahrlich kein Freund der Kanzlerin ist, sagte soeben mit Blick
auf eine Lösung der Russland-Ukraine-Krise: «Angela, lasst uns Angela
einbeziehen.»

Merkels Standing in der Welt macht allen drei Herausforderern - voran
Friedrich Merz und Jens Spahn - klar, dass es im Fall ihrer Wahl
unklug wäre, auf die außenpolitische Kompetenz der Kanzlerin zu
verzichten. Zudem dürfte die internationale Reputation der Kanzlerin
auch Eindruck auf die Basis und vor allem auf die 1001 Delegierten
des Parteitages in Hamburg machen.

Inzwischen werden Merz und Annegret Kramp-Karrenbauer die besten
Chancen auf die Merkel-Nachfolge eingeräumt. Merz erhielt in Berlin
den größten Beifall nach der Vorstellungsrunde, gefolgt von
Kramp-Karrenbauer und Spahn, dem dritten Kandidaten. Wobei unklar
blieb, ob Merz mit seinem Statement zur Zusammenarbeit mit Merkel
oder mit seinen politischen Positionen überzeugte.

Über alle acht Regionalkonferenzen während der vergangenen zwei
Wochen hinweg konnten alle drei Bewerber punkten - unter anderem mit
Themen wie Zusammenhalt der Partei, innere Sicherheit,
Flüchtlingspolitik, Steuern und Steuersystem sowie Soliabbau,
Digitalisierung, Mittelstand, mehr Macht für die Mitglieder im
Dreiklang von Partei, Unionsfraktion und Kanzleramt oder im Osten mit
dem Braunkohleabbau.

Zum Teil gab es Kritik an der Gewichtung. Interessanterweise wurde
gerade im Osten (Halle/Saale) kritisiert, dass das Thema Flüchtlinge
und Ausländer zu breiten Platz in der Konferenz eingenommen habe.
Möglicherweise hätten die drei gerade hier besser nicht AfD-Themen
aufgreifen, sondern auf Sozialthemen setzen sollen. Führende
CDU-Vertreter warnten, die Migrations- und Flüchtlingspolitik sei
nicht das wichtigste Thema für die Partei. Und so könnten Merz seine
Einlassungen im thüringischen Seebach zu einer Asylrechtsänderung,
sieht man die ganze CDU, eher abträglich sein.

Kramp-Karrenbauer gab sich bei den Konferenzen immer wieder als
erfahrene Regierungschefin. Im Gegensatz zu den beiden anderen habe
sie schon Wahlkämpfe gewonnen. Sie gilt als Vertraute Merkels. Zur
Zeit ist nicht absehbar, ob sie damit bei den Delegierten in Hamburg
punkten kann oder eher nicht. Merz versuchte, sich als
Wirtschaftsmann zu profilieren. Ja, ein effektives und einfaches
Steuersystem sei möglich - aber heute sollte es vielleicht eher in
einer App gemalt werden als auf einen Bierdeckel.

Spahn, der bei Beobachtern als abgeschlagen gilt, versuchte durch
eine schärfere Tonalität nach vorne zu kommen. Zuletzt warf er
allerdings seinen Blick schon auf die CDU der Zukunft: «Ich will 2040
in einem Land leben, das von der CDU regiert wird.» Ist das die
Langfrist-Planung des 38-jährigen Gesundheitsministers?

Für Spahn kam der Aufbruch in Partei und Unionsfraktion ganz
offensichtlich zu früh. Der Stratege wurde sowohl von der Abwahl
Volker Kauders als Unionsfraktionschef überrascht als auch von der
Rücktrittsankündigung Merkels. Spahn muss sich zudem wahnsinnig
geärgert haben, dass auch noch der 63-jährige Merz - als konservative
Alternative - seinen Hut in den Ring warf.

Auf der ersten Regionalkonferenz in Lübeck hieß die Reihenfolge bei
der Vorstellung der Kandidaten noch: 1 Annegret Kramp-Karrenbauer, 2
Friedrich Merz, 3 Jens Spahn. Auf der achten, der letzten
Vorstellungsrunde war die Reihenfolge umgekehrt: 1 Jens Spahn, 2
Friedrich Merz, 3 Annegret Kramp-Karrenbauer.

Weder am Anfang noch am Ende lässt sich diese Auslosungsreihe als
Omen verstehen - zumindest was Merz und Kramp-Karrenbauer betrifft.
Das gilt auch für den neuen ARD-«Deutschlandtrend», wonach sich 48
Prozent der befragten CDU-Anhänger für Kramp-Karrenbauer entscheiden
würden, 35 Prozent für Merz und nur 2 Prozent für Spahn. Denn
weiterhin gilt: Das sind CDU-Anhänger, nicht zwingend CDU-Mitglieder
und schon gar nicht Delegierte, die auf dem Parteitag entscheiden
werden.

Der Ausgang der Wahl dürfte wesentlich auch von der Tagesform der
Kandidaten beim Parteitag in einer Woche abhängen. Wie auch immer
dann das Rennen ausgeht, für die Partei und die Mitglieder war es
etwas Neues nach mehr als 18 Jahren mit Merkel an der Spitze. Und
insbesondere die Kandidatur von Merz dürfte das Schaulaufen des Trios
für die Basis spannend gemacht haben.

Die Berliner CDU-Vorsitzende Monika Grütters sagte am Freitagabend
quasi als ein atmosphärisches Resümee: Es sei ein «beeindruckend
fairer Wettstreit» der drei Bewerber gewesen. Und: «Die Qual der Wahl
zwischen drei Bewerbern dieses Formats ist ein Problem, das andere
Parteien gern hätten.» Man darf gespannt sein, wie die drei die
letzte Woche vor der Entscheidung in Hamburg nutzen. Vielleicht wird
es ab dem Wochenende verbissener.