Wahl zum CDU-Vorsitz: Noch eine Woche Zeit zum Punkten Von Ruppert Mayr, dpa

Letzte Runde der CDU-Regionalkonferenzen. Wer folgt Kanzlerin Merkel
an der Parteispitze nach? Nichts ist entschieden. Doch die Nervosität
der Konkurrenten dürfte in der Woche vor der Wahl erheblich zunehmen.

Berlin (dpa) - «Angela, lasst uns Angela einbeziehen.» Es geht um die
Russland-Ukraine-Krise, und die Worte von US-Präsident Donald Trump,
der nun wahrlich kein Freund der deutschen Bundeskanzlerin ist, sagen
alles. Angela Merkel hat in der Welt, hat beim weltweiten
Krisenmanagement so viel Reputation wie selten zuvor. Und das, obwohl
sie erst vor kurzem ihre Machtbasis, den CDU-Vorsitz, aufgegeben hat.

Merkels neues Standing in der Welt macht allen drei Herausforderern -
voran Friedrich Merz und Jens Spahn - klar, dass es im Fall ihrer
Wahl unklug wäre, auf die außenpolitische Kompetenz der Kanzlerin zu
verzichten. Merz, dem neben Annegret Kramp-Karrenbauer die besten
Chancen auf die Merkel-Nachfolge eingeräumt werden, bekräftigte
wiederholt, er habe nicht die Absicht, Merkel nach seiner Wahl aus
dem Amt zu drängen.

Denn Merz weiß, dass die internationale Reputation der Kanzlerin auch
Eindruck auf die Basis und sicherlich auch auf die 1001 Delegierten
des in der kommenden Woche anstehenden Parteitages in Hamburg haben
dürfte. Bei der Regionalkonferenz am Mittwoch in Düsseldorf etwa
versicherte der frühere Unionsfraktionschef einmal mehr, er strebe
als neuer CDU-Chef nicht das Ende der großen Koalition an. «Es gibt
überhaupt keinen Grund, über Neuwahlen zu spekulieren.» Und er fügt
e
hinzu: «Wir haben eine gewählte Regierung.» Im
baden-württembergischen Böblingen sagte er, nach seiner Wahl werde er
als allererstes «ein Gespräch mit Angela Merkel führen, und zwar
ausführlich und vertraulich».

Merz erhielt in Düsseldorf den größten Beifall. Das war aber auch ein

Heimspiel für ihn. Die frühere saarländische Ministerpräsidentin
Kramp-Karrenbauer hatte in Idar-Oberstein ihr Heimspiel, wo viele
CDU-Mitglieder aus ihrem Heimat-Bundesland hingekommen sind.

Insgesamt konnten alle drei Bewerber punkten - unter anderem mit
Themen wie Zusammenhalt der Partei, innere Sicherheit,
Flüchtlingspolitik, Steuern und Steuersystem, Digitalisierung,
Mittelstand, mehr Macht für die Mitglieder im Dreiklang von Partei,
Unionsfraktion und Kanzleramt oder im Osten mit dem Braunkohleabbau.

Zum Teil gab es Kritik an der Gewichtung. Interessanterweise wurde
gerade im Osten (Halle/Saale) kritisiert, dass das Thema Flüchtlinge
und Ausländer zu breiten Platz in der Konferenz eingenommen habe.
Möglicherweise hätten die drei gerade hier besser nicht AfD-Themen
aufgegriffen, sondern auf Sozialthemen gesetzt. Führende
CDU-Vertreter warnen schon, die Migrations- und Flüchtlingspolitik
sei nicht das wichtigste Thema für die Partei. Und so könnten Merz
seine Einlassungen zu einer Asylrechtsänderung im thüringischen
Seebach, sieht man die ganze CDU, eher abträglich sein.

Kramp-Karrenbauer gab sich bei den Konferenzen immer wieder als
erfahrene Regierungschefin. Im Gegensatz zu den beiden anderen habe
sie schon Wahlkämpfe gewonnen. Sie gilt als Vertraute Merkels. Zur
Zeit ist nicht absehbar, ob sie damit bei den Delegierten in Hamburg
punkten kann oder eher nicht. Merz versucht, sich als Wirtschaftsmann
zu profilieren. Ja, ein effektives und einfaches Steuersystem sei
möglich - aber heute sollte es vielleicht eher in einer App gemalt
werden als auf einem Bierdeckel.

Spahn, der bei Beobachtern als abgeschlagen gilt, versuchte durch
eine schärfere Tonalität nach vorne zu kommen. Welchen Trumpf hat er
noch im Ärmel? Für den 38-jährigen Gesundheitsminister kam der
Aufbruch in Partei und Unionsfraktion ganz offensichtlich zu früh.
Der Stratege Spahn wurde sowohl von der Abwahl Volker Kauders als
Unionsfraktionschef überrascht als auch von der Rücktrittsankündigung

Merkels als Parteivorsitzender. Spahn muss sich zudem wahnsinnig
geärgert haben, dass auch der 63-jährige Merz - als konservative
Alternative - seinen Hut in den Ring warf.

Nach einem neuen ARD-Deutschlandtrend entscheiden sich derzeit 48
Prozent der befragten CDU-Anhänger für Kramp-Karrenbauer, 35 Prozent
für Merz und nur zwei Prozent für Spahn. Doch weiterhin gilt: Das
sind CDU-Anhänger, nicht zwingend CDU-Mitglieder und schon gar keine
Delegierten, die auf dem Parteitag entscheiden.

Wie auch immer das Rennen ausgeht, für die Partei und die Mitglieder
war es etwas Neues nach mehr als 18 Jahren mit Merkel an der Spitze.
Und insbesondere die Kandidatur von Merz dürfte das Schaulaufen des
Trios an der Basis bereichert haben.

Da die Regionalkonferenzen bisher keinen eindeutigen Trend erkennen
ließen, darf man gespannt sein, wie die drei die letzte Woche vor der
Entscheidung in Hamburg nutzen. Bisher gaben sie sich bei den
Konferenzen freundlich bis leicht bissig. Vielleicht wird es ab dem
Wochenende - nach der letzten Regionalkonferenz am Freitag in Berlin
- verbissener.