Heimspiel für Merz in NRW: «Kein Scharia-Recht auf deutschem Boden» Von Dorothea Hülsmeier und Henning Otte, dpa

Die Bewerber für den CDU-Vorsitz machen Station in Düsseldorf: Der
Sauerländer Friedrich Merz bekommt Ovationen, Kramp-Karrenbauer
kämpft und Jens Spahn verabreicht bittere Pillen. Der Auftritt der
drei Bewerber vor der Basis in NRW war besonders wichtig.

Düsseldorf (dpa) - Heimspiel für Friedrich Merz: Im Wettstreit um den
CDU-Vorsitz ist der Ex-Unionsfraktionschef in Nordrhein-Westfalen mit
großem Applaus gefeiert worden. Schon nach der Rede des Sauerländers
bei der Vorstellungsrunde der drei aussichtsreichsten Kandidaten für
den Vorsitz in Düsseldorf standen fast die Hälfte der rund 3800
CDU-Mitglieder auf und klatschten. CDU-Generalsekretärin Annegret
Kramp-Karrenbauer und Bundesgesundheitsminister Jens Spahn bekamen am
Mittwochabend zwar auch freundlichen Beifall, aber keine «standing
ovations».

Merz (63) und Spahn (38) kommen beide aus NRW. Der größte
CDU-Landesverband stellt fast ein Drittel der Delegierten für den
entscheidenden Bundesparteitag Ende nächster Woche.

In der Fragerunde gaben sich alle drei Bewerber immer wieder
kämpferisch. Merz, der schon früher für eine deutsche Leitkultur
geworben hatte, sagte, die CDU sei die Partei mit einem «gesunden und
maßvollen Patriotismus». Er fügte hinzu: «Wir sagen Ja zu Deutschla
nd
und auch zu deutschen nationalen Interessen, nicht im Sinne eines
übersteigerten Nationalismus.» Spahn will einen «gesunden
Patriotismus, der einlädt, nicht einer, der ausgrenzt».

Merz forderte Muslime in Deutschland auf, das deutsche Recht ohne
Einschränkungen zu akzeptieren. «Es gibt hier kein Scharia-Recht auf
deutschem Boden. Wir müssen eine bessere staatliche Aufsicht über die
Koranschulen haben. Es geht nicht, dass unsere Kinder in den
staatlichen Schulen unterrichtet und in den Koranschulen
indoktriniert werden.»

Die Religionsfreiheit in Deutschland gelte auch für Muslime, betonte
Merz. Aber für sie gelte auch «das gesamte übrige säkulare Recht
dieses Staates, und zwar ohne jede Einschränkung».

Kramp-Karrenbauer (56) sagte, wenn man in Deutschland keine
Koranschulen wolle, müsse man ein staatliches Angebot für
muslimischen Unterricht auf Deutsch machen. Auch müssten nach dem
Vorbild NRW muslimische Religionslehrer auf Deutsch ausgebildet
werden.

Spahn forderte, dass Moscheen in Deutschland nicht mehr aus dem
Ausland finanziert werden sollen. «Wir wollen, dass Bundespräsident
Steinmeier Moscheen eröffnet, nicht der türkische Präsident Erdogan.
»
Recep Tayyip Erdogan hatte Ende September im Rahmen eines
Staatsbesuchs die Ditib-Zentralmoschee in Köln eröffnet.

Kramp-Karrenbauer gab als Ziel aus, die Union als Vorsitzende wieder
zu Wahlergebnissen von 40 Prozent zu führen. «An der Hürde werden wir

uns messen lassen.» Die Union hatte mit Merkel an der Spitze bei der
Bundestagswahl vor über einem Jahr nur 32,9 Prozent erreicht - und
damit das zweitschlechteste Ergebnis seit 1949. Derzeit liegt die
Union in Umfragen bei rund 26 Prozent.

Merz bekräftigte, der Abwärtstrend der CDU müsse gestoppt und
umgekehrt werden. Hintergrund der Talfahrt sei, dass die Klarheit der
CDU-Positionen in den vergangenen Jahren gelitten habe. Er
versicherte, er strebe als neuer CDU-Chef nicht das Ende der großen
Koalition an. «Es gibt überhaupt keinen Grund, über Neuwahlen zu
spekulieren.» Er fügte hinzu: «Wir haben eine gewählte Regierung.
»

Merz und Spahn attackierten auch die Grünen, die in Umfragen derzeit
bei über 20 Prozent liegen. Es sei eine «Doppelmoral», wenn die
Grünen die Rodung des Hambacher Forsts für den Braunkohletagebau
mitbeschließen, sich aber dann an Bäume ketteten, sagte Spahn. Merz
sagte dazu: «Die Grünen müssen ihr Verhältnis zum Gewaltmonopol
dieses Staates klären.»

Spahn sagte voraus, die Menschen müssten sich darauf einstellen,
künftig noch später in Rente zu gehen. «Mit der steigenden
Lebenserwartung muss auch das Renteneintrittsalter ab 2030 weiter
steigen.» Bisher wird das Renteneintrittsalter stufenweise bis zum
Jahr 2029 angehoben. Ab dem Geburtsjahrgang 1964 ist es 67.

Bei den CDU-Mitgliedern in Düsseldorf war Merz zwar oft, aber nicht
immer der Favorit für den CDU-Vorsitz. Und Automatismen gab es dabei
schon gar nicht. So favorisierten die Frauen der Frauen-Union in
Königswinter Merz und nicht etwa Kramp-Karrenbauer. «Es gibt auch
gute Männer», sagte etwa die 72-Jährige Ute Westerhoff.

Die beiden Freunde Willi Paulsen und Franz Joerißen aus Wegberg bei
Erkelenz saßen zwar nebeneinander und hatten doch unterschiedliche
Favoriten. Paulsen ist für Kramp-Karrenbauer, weil sie schon als
Ministerpräsidentin des Saarlands gezeigt habe, was sie könne. «Ich
finde, sie kann eine Partei führen.» Joerißen dagegen favorisiert
Merz: «Vielleicht hat er mehr Durchsetzungskraft.»