Bundestag debattiert über neue Organspende-Regeln

Viele schieben die Antwort vor sich her, ob sie im Todesfall Organe
spenden würden, um Schwerkranken zu helfen. Braucht es also ein neues
System? Im Parlament haben Abgeordnete dazu ganz persönlich das Wort.

Berlin (dpa) - Der Bundestag diskutiert am Mittwoch (13.00) über neue
Regeln, um zu mehr Organspenden in Deutschland zu kommen. In der
offenen Debatte soll es ohne Fraktionszwänge um grundlegende ethische
Fragen gehen, Beschlüsse sind nicht geplant. Gesundheitsminister Jens
Spahn (CDU) wirbt für eine Umstellung auf eine «doppelte
Widerspruchslösung». Das bedeutet, dass jeder als Spender gilt. Man
soll dazu aber noch Nein sagen können, ansonsten sind - als doppelte
Schranke - Angehörige zu fragen. Bisher sind Organentnahmen nur bei
ausdrücklich erklärter Zustimmung erlaubt.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz rief zu einem sachlichen
Austausch von Argumenten auf. «Das Thema eignet sich nicht für
Polarisierungen», sagte Vorstand Eugen Brysch der Deutschen
Presse-Agentur. Er kritisierte, dass das Argument der Nächstenliebe
schon jetzt instrumentalisiert werde. «Einseitig beanspruchen die
Befürworter der Widerspruchsregelung diese für sich. Doch wer der
Nächstenliebe die Freiwilligkeit nimmt, zerstört ihren Kern.»
Unterstützer einer Widerspruchslösung seien nicht «die Guten»,
Skeptiker oder Kritiker seien nicht «die Bösen».

Im Bundestag zeichnen sich bisher verschiedene Positionen ab.

PRO WIDERSPRUCHSLÖSUNG: Spahn argumentiert, dass seit Jahren vieles
versucht worden sei, um die Zahl der Organspender zu erhöhen - ohne
Erfolg. Neue Regeln sollten daher dazu führen, dass Organspenden «zum
Normalfall» werden. Dies bedeute auch keine «Organabgabepflicht», da

man dazu «konsequenzenlos» Nein sagen könne. Ein Nein aussprechen zu

müssen, sei in einer freien Gesellschaft zumutbar. Sympathie für die
doppelte Widerspruchslösung hat auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU)
bekundet, ebenfalls dafür ist SPD-Fraktionsvize Karl Lauterbach.

CONTRA WIDERSPRUCHSLÖSUNG: Mehrere Abgeordnete haben Bedenken gegen
eine solche Umstellung deutlich gemacht. «Der Gesetzgeber würde damit
diese sehr persönliche Entscheidung vorwegnehmen, die dann nur mit
aktivem Widerspruch aufgehoben werden könnte», warnte Grünen-Chefin
Annalena Baerbock. Sie schlägt vor, die Bereitschaft zu Organspenden
regelmäßig beim Abholen eines neuen Personalausweises oder Passes
abzufragen - samt einer Option, aktuell nicht entscheiden zu wollen.
Einen ähnlichen Vorschlag für eine «verbindliche Entscheidungslösun

hat etwa auch der CSU-Gesundheitspolitiker Stephan Pilsinger gemacht.

DIE ZAHLEN: In Deutschland warten laut Gesundheitsministerium mehr
als 10 000 Menschen auf Spenderorgane. Schon seit 2012 gingen die
Spenderzahlen aber herunter. Im vergangenen Jahr sank die Zahl der
Spender auf einen Tiefpunkt von 797. Für dieses Jahr zeichnet sich
aber erstmals wieder ein Anstieg ab. Bis Mitte November registrierte
die Deutsche Stiftung Organtransplantation bereits 832 Spender.

DIE WEITEREN SCHRITTE: In der «Orientierungsdebatte» geht es noch
nicht um konkrete Entscheidungen. Mehrere Parlamentarier planen aber
fraktionsübergreifende Anträge. Spahn hat dies - nicht als Minister,
sondern als Abgeordneter - schon angekündigt. Sein Ressort bietet
auch Abgeordneten mit anderen Positionen Unterstützung für Anträge
an. Eine Entscheidung des Bundestags strebt er bis Mitte 2019 an.
Unabhängig von der Debatte über neue Regeln hat die Bundesregierung
ein Gesetz für bessere Bedingungen in den Krankenhäusern auf den Weg
gebracht. Kernpunkte sind höhere Vergütungen durch die Krankenkassen
und mehr Freiraum für Transplantationsbeauftragte in den Kliniken.