Joe Bausch: Gefängnisarzt, «Tatort»-Darsteller, Arbeitstier Von Florentine Dame, dpa

Das Fernsehpublikum kennt ihn als «Tatort»-Pathologen von Köln, im
wirklichen Leben hat er Schwerverbrecher behandelt. Mit 65 Jahren
endet nun seine Karriere als Anstaltsarzt. Zu Besuch bei einem
Unruhegeist.

Werl (dpa) - Vom Küchenfenster blickt Joe Bausch auf mehr als sechs
Meter hohe Anstaltsmauern. Dahinter erhebt sich die
Justizvollzugsanstalt Werl - Bauschs Arbeitsplatz. Ende des Monats
geht Deutschlands wohl bekanntester Gefängnisarzt, der mit vollem
Namen Hermann Joseph Bausch-Hölterhoff heißt, nach 32 Jahren in
Pension. Was dann kommt? Jedenfalls kein Ruhestand.

Dass sein tiefgefurchtes Gesicht und der haarlose Schädel so bekannt
sind, verdankt Bausch seinem anderen beruflichen Leben: Der
Schauspieler mimt seit 1997 den Pathologen im Kölner «Tatort» an der

Seite der Ermittler Max Ballauf (Klaus J. Behrendt) und Freddy Schenk
(Dietmar Bär).

Was auf den ersten Blick wie zwei völlig unterschiedliche berufliche
Standbeine scheint, gehört für den 65-Jährigen untrennbar zusammen:
«Wenn du keine Lust hast, Menschen genau zu beobachten, kannst du sie
weder spielen, noch bist du ihnen ein guter Arzt», sagt Bausch, der
schon im Gespräch meist mehrere Dinge gleichzeitig tut: Er raucht,
telefoniert, bewirtet seine Gäste mit Kaffee, räumt Unterlagen für
die Moderation eines Ärztekongresses beiseite, während er über sein
Leben berichtet.

Beide Berufe seien für ihn stets mehr gewesen als Broterwerb.
Ursprünglich habe es ihn zum Theater gezogen, ihn den «Bauernbub aus
dem Westerwald». Dass er dann doch auf den Mediziner-Job setzte, mag
auch an dem Leistungsprinzip gelegen haben, was er schon früh
aufsog: «Wer etwas leistet, wird wertgeschätzt. Das lernst du als
ältester Sohn auf einem Bauernhof schnell.» Es reicht ein Nachmittag,
um zu ahnen: Joe Bausch ist ein Arbeitstier, ein Unruhegeist.

Schon die Studienjahre klingen rastlos: Er schmeißt so manches
Studienfach, arbeitet beim WDR in Köln, steht auf der
Stadttheaterbühne in Marburg, wo er auch eine florierende Kneipe
führt. Schließlich landet er bei der Medizin und im Ruhrgebiet. «Ich

musste meinen Eltern ja auch irgendwann mal etwas Solides
präsentieren», sagt er.

Er hängte sich rein - ohne die Schauspielerei bleiben zu lassen.
Anfang der 1980er Jahre war er ein Gesicht des umtriebigen
«Theaterpathologischen Instituts», einer Gruppe, die mit freizügigen

Stücken im Revier für Furore sorgte. Noch heute glühen Bauschs Augen,

wenn er davon erzählt, wie er dort «obsessives Zeug» machte. Dabei
hätte ihn sein Engagement für das Theaterprojekt fast die Anstellung
im Strafvollzug gekostet: Der Chef des Justizkrankenhauses habe davon
abgeraten, ihn einzustellen. «Zu nah an der Klientel», habe es
geheißen.

Heute ist der Mann, der im fiktionalen Leben Mörder jagt und im
echten behandelt, zu einem Aushängeschild des Strafvollzugs
geworden: Joe Bausch hat in Büchern, Fernsehsendungen und Interviews
darüber berichtet, wie es zugeht hinter Gittern. Seine Karriere
spiegelt auch ein Stück Justizgeschichte. Gemeinsam mit Kollegen habe
er Ende der 1980er Jahre auch einen Wandel in der Anstaltsmedizin
angestoßen und miterlebt: Von der autoritären Knastmedizin hin zu
einer ordentlichen Medizin im humanen Strafvollzug. «Ich bin zwar der
Anstaltsarzt, aber ich habe das immer so gehalten, als wäre das meine
Praxis.» Ob Mutter Theresa oder ein Serienmörder vor ihm sitze, sei
erst mal egal.

Im Justizkrankenhaus von Fröndenberg, wo er sich weiterbilden ließ,
musste er mit RAF-Terroristinnen im Hungerstreik umgehen. Im
Hochsicherheitsgefängnis von Werl behandelte Geiselnehmer,
Kindervergewaltiger, Mehrfachmörder. «Man darf nicht nachtragend
sein», sagt er. Ein weißer Kittel sei im Knast noch längst kein
Garant für Bewunderung. Oft sei er beschimpft, angezeigt, bedroht
worden. Angst habe ihm das nie gemacht. «Ich hasse es, wenn man
versucht mir Angst zu machen. Also habe ich das auch nie zugelassen».

Dass ihm Manches unter die Haut ging, verhehlt er nicht. Die
tragischen Schicksale einiger Knastgestalten sind Grundlage seines
bereits zweiten, gerade erschienenen Buches. In «Gangsterblues»
erzählt er die Geschichten von alternden Kriminellen, von Todkranken
hinter Gittern, von Rache, rauem Ton und Respekt.

«Vielleicht habe ich vieles auch nur deshalb so gut ausgehalten, weil
ich die Perspektive des Theater- und Filmmenschen eingenommen habe.
Da suchst du diese Geschichten des Scheiterns ja geradezu», sagt der
Mediziner. Der Schauspieler ergänzt: «Ich hatte immer auch einen
Beruf, der mich geerdet hat, hatte mein Auskommen, musste niemandem
für eine Rolle in den Arsch kriechen.»

Nebenbei hat Bausch Kunst gesammelt, sich mit
seinen «Tatort»-Kollegen für Straßenkinder auf den Philippinen
eingesetzt, Rollen in «Schimanski», «Der Fahnder» oder «Auf Achse
»
übernommen. Zeit für Urlaub oder Hobbys: Fehlanzeige. Deshalb sei die

Pensionierung auch nur eine Art schleichende Entwöhnung für ihn: «Ich

muss nicht mehr drei Dinge nebeneinander her machen, sondern nur noch
zwei», sagt er und zündet sich noch eine Zigarette an.