Merz: CDU hat Aufstieg der AfD mit «Achselzucken» hingenommen

Die Regionalkonferenzen für die Nachfolge von CDU-Chefin Merkel gehen
in der neuen Woche in die zweite Halbzeit. Die Kandidaten stecken
weitere Positionen ab - mit mehr oder weniger Abgrenzung zu Merkel.

Berlin (dpa) - Im Wettstreit um den Vorsitz der CDU hat der Bewerber
Friedrich Merz einen entschiedeneren Kampf um verlorene Stammwähler
verlangt. «Mit mir gibt es keine Achsenverschiebung der Union nach
rechts», sagte er im Deutschlandfunk. Die CDU müsse sich aber wieder
für Themen öffnen, über die sie «vielleicht in den letzten Jahren
etwas leichtfertig hinweggegangen ist». Merz hielt seiner Partei vor,
die Wahlerfolge der AfD in Bund und Ländern mit einem «ich will jetzt
mal etwas zugespitzt sagen - Achselzucken» zur Kenntnis genommen und
sich damit zufrieden gegeben zu haben, selbst so stark zu sein, dass
ohne sie nicht regiert werden könne.

CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer, Rivalin von Merz im
Rennen um den CDU-Vorsitz, wies dessen Äußerungen scharf zurück.
«Solche Behauptungen sind ein Schlag ins Gesicht für alle in der CDU,
die vor Ort und in den Parlamenten seit Jahren gegen ständige
Falschinformationen, gegen gezielte Vergiftungen des politischen
Klimas, gegen Anfeindungen sowie gegen in Teilen offene Hetze durch
die AfD kämpfen und Tag für Tag in der CDU Haltung zeigen», sagte
Kramp-Karrenbauer der «Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung»
(FAS). «Das verkennt alle, die in den extrem harten Wahlkämpfen der
letzten Jahre um jede Stimme für die CDU und gegen die AfD gekämpft
haben.»

An diesem Montag kommen die CDU-Spitzengremien in Berlin zusammen. Am
Dienstag folgt in Böblingen die fünfte von acht Regionalkonferenzen,
bei denen sich die aussichtsreichsten Bewerber der Basis vorstellen.
Dabei tritt Ex-Unionsfraktionschef Merz gegen Kramp-Karrenbauer und
Gesundheitsminister Jens Spahn an. Die letzte Regionalkonferenz ist
am Freitag in Berlin. Über die Nachfolge der seit 18 Jahren
amtierenden Vorsitzenden Angela Merkel entscheidet der CDU-Parteitag
am 7. Dezember. Kanzlerin will Merkel bleiben.

Merz betonte, wenn man in Deutschland wieder braune Hemden sehe,
Antisemitismus auf offener Straße gezeigt werde «und die CDU darauf
erkennbar keine Antwort hat», empfinde er es als persönliche und
staatsbürgerliche Verantwortung, seiner Partei Hilfe anzubieten.

Kramp-Karrenbauer verteidigte in der «FAS» zugleich erneut das in der
Union umstrittene Vorgehen Merkels, die Grenze im Herbst 2015 für
Flüchtlinge offen gehalten zu haben. «Ich stand und stehe immer noch
zu der Entscheidung der Bundesregierung», sagte sie der Zeitung. Mit
Blick auf eine mögliche Grenzschließung fragte sie: «Hätte das
geheißen: mit Bundespolizei, Militär und Wasserwerfern gegen
Flüchtlinge vorzugehen - in einer Zeit, in der das ganze Land von
einer Willkommenskultur geprägt war?»

CDU-Vize Armin Laschet kritisierte den langen Zuwanderungsstreit in
der Union. «Alle haben heute erkannt: Das Migrationsthema so
hochzuhängen, war nicht klug», sagte der nordrhein-westfälische
Ministerpräsident der «Welt». Die CDU solle künftig auf andere Them
en
setzen, um bürgerliche und konservative Wähler zu überzeugen. Dazu
zählten innere Sicherheit und eine «Null-Toleranz-Politik» gegenübe
r
Kriminellen. Laschet widersprach Rufen nach mehr Diskussionen in der
CDU, wie sie auch von den Kandidaten kommen. «Wir haben in der Union
noch nie so viel herumdiskutiert wie in den letzten fünf Jahren.»

Am Samstag stellten sich die drei Bewerber bei einer Veranstaltung
der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA) vor. Zum Ende
sei nicht abgestimmt worden, sagte der Vorsitzende Karl-Josef Laumann
den Zeitungen der Funke Mediengruppe. «Aber klar ist: Annegret
Kramp-Karrenbauer steht dem Arbeitnehmerflügel näher als Friedrich
Merz oder Jens Spahn.» Ihre politische DNA sei geprägt durch die
industrielle Arbeitswelt im Saarland. Dabei hätten sich alle drei
Kandidaten grundsätzlich zum sozialen Profil der CDU bekannt.