Halbzeit im Rennen der CDU-Kandidaten - Spahn sieht Stimmungswandel

Vier sind rum, vier kommen noch: Gemessen an der Zahl der
Regionalkonferenzen haben die Kandidaten für den CDU-Vorsitz das
halbe Rennen hinter sich. Einer, der als abgeschlagen galt, spürt
Rückenwind.

Berlin (dpa) - Zur Halbzeit des Kandidatenrennens um den CDU-Vorsitz
rechnet sich Bundesgesundheitsminister Jens Spahn gute Chancen aus
und schließt einen Rückzug von seiner Kandidatur aus. «Ich habe das
Gefühl: Die Stimmung dreht sich», sagte er dem Nachrichtenmagazin
«Focus». Entscheidend seien nicht die Werte in Umfragen, sondern die
Delegierten auf dem Parteitag Anfang Dezember. Deshalb wolle er
seinen parteiinternen Wahlkampf weiterführen und den Rückstand bei
den Zustimmungswerten zu seinen Mitbewerbern Friedrich Merz und
Annegret Kramp-Karrenbauer aufholen.

Mit der vierten CDU-Regionalkonferenz in Halle in Sachsen-Anhalt am
Donnerstagabend ist die erste Runde der Kandidatenvorstellungen an
der Parteibasis absolviert. Es folgen nun noch einmal so viele
Basiskonferenzen, die nächste am kommenden Dienstag. Daneben stellen
sich die Kandidaten auch in internen Runden bei einzelnen
CDU-Interessensvereinigungen vor. In Umfragen lag Spahns Beliebtheit
bei Unionsanhängern zuletzt deutlich hinter der von
CDU-Generalsekretärin Kramp-Karrenbauer und
Ex-Bundestagsfraktionschef Merz.

Kanzlerin Angela Merkel stand seit der Flüchtlingskrise parteiintern
unter wachsendem Druck und hatte nach der für die CDU verlustreichen
Landtagswahl in Hessen angekündigt, ihr Regierungsamt zu behalten,
aber für den Parteivorsitz nicht wieder zu kandidieren. Damit
entscheidet der Parteitag in zwei Wochen in Hamburg über ihre
Nachfolge.

Während Spahn und Merz als konservativ gelten, wird Kramp-Karrenbauer
trotz teils anderer Akzente weitgehend als jemand gesehen, die
Merkels Kurs mitgetragen hat und auch ihren pragmatischen Stil
pflegt. Zugleich zeigten sich in den Regionalkonferenzen bisher
weitgehende Übereinstimmungen zwischen den Dreien: Kramp-Karrenbauer
bemühte sich, auch konservative Anhänger zu überzeugen, Spahn wie
Merz beteuerten, die Partei nicht nach rechts rücken zu wollen.

Am Donnerstag bekannte sich Merz klar zum Grundrecht auf Asyl,
nachdem er mit einer Äußerung auf der Regionalkonferenz vom Vorabend
heftige Kritik ausgelöst hatte. Im thüringischen Seebach hatte er in
Zweifel gezogen, dass das im Grundgesetz festgeschriebene
Individualrecht auf Asyl «in dieser Form fortbestehen» könne. Auf der

Konferenz in Halle sagte er dann vor mehreren hundert CDU-Mitgliedern
aus Sachsen und Sachsen-Anhalt: «Für alle Interessierten noch einmal
zum Mitschreiben: Ich bin für die Beibehaltung des Grundrechts auf
Asyl. Punkt.» Was er diskutieren wolle, sei, ob einzelne Asylaspekte
nicht über (normale) Gesetze geregelt werden sollten. Nur ein solcher
Gesetzesvorbehalt lasse eine gemeinsame europäische Asylgesetzgebung
zu. Denn derzeit sei alles im Grundgesetz geregelt - habe also
Verfassungsrang. So könne man nicht zu einer gemeinsamen europäischen

Praxis kommen, sagte Merz. Zuvor hatten sich auch Kramp-Karrenbauer
und Spahn von ihm abgegrenzt.

Ein strittiges Thema auf dem Parteitag dürfte der UN-Migrationspakt
werden. Die Bundesregierung wurde von der Debatte über dieses Papier
überrascht, Spahn hatte eine Diskussion auf dem Parteitg darüber
gefordert - obwohl die Bundestagsfraktion darüber bereits debattiert
hat. Kramp-Karrenbauer verteidigte in Halle den Pakt. Er helfe mehr,
als er schade. Sie werde auf dem Parteitag für die Annahme kämpfen.
Sollte der Parteitag einer anderen Auffassung sein, werde sie mit
Kanzlerin Merkel darüber reden, dann müsse im Koalitionsausschuss mit
CSU und SPD entschieden werden.

Spahn machte deutlich, dass man durchaus über eine Leitkultur reden
müsse. Der Verweis auf das Grundgesetz allein reiche nicht. Jeder der
in Deutschland mitmachen wolle, sei herzlich willkommen. Allerdings
müsse Deutschland seine Werte einfordern. Kulturelle Unterschiede
könnten bereichernd sein, aber nicht alles, was anders sei, sei per
se bereichernd. Ehrenmord, Zwangsheirat, Antisemitismus - «das hat
mit unseren Werten nichts zu tun», sagte er.