CSU verliert absolute Mehrheit in Bayern - SPD halbiert Ergebnis Von Christian Andresen und Ulrich Steinkohl, dpa

Krachende Niederlage für die sonst kraftstrotzende CSU: Ihre absolute
Mehrheit in Bayern ist dahin. Für die SPD geht es bei der Wahl
ebenfalls tief in den Keller. Es gibt aber auch mindestens zwei
Gewinner.

Berlin (dpa) - Politisches Beben in Bayern: Bei der Landtagswahl hat
die erfolgsverwöhnte CSU am Sonntag dramatische zweistellige Verluste
hinnehmen müssen und ihre absolute Mehrheit verloren. Die Partei von
Ministerpräsident Markus Söder und des Vorsitzenden Horst Seehofer
fuhr nach den ersten Hochrechnungen ihr schlechtestes Ergebnis seit
1950 ein und schwächt damit auch ihre Position in der großen
Koalition von Kanzlerin Angela Merkel (CDU). Die SPD von Natascha
Kohnen brach noch stärker ein als vorhergesagt und verlor mit ihrem
historisch schlechtesten Landesergebnis ihre Position als
zweitstärkste Kraft. Große Wahlgewinner sind Grüne und AfD mit
zweistelligen Ergebnissen. Die AfD zieht erstmals ins Maximilianeum
ein und ist jetzt in 15 von 16 Landtagen vertreten. Die FDP musste
bangen, ob sie nach fünf Jahren Abwesenheit die Rückkehr ins
Parlament schafft. Die Linke verfehlt den Einzug erneut.

Nach den Hochrechnungen von ARD und ZDF (18.25 Uhr) kommt die CSU nur
noch auf 35,3 bis 35,4 Prozent. Die SPD halbiert ihr Ergebnis von
2013 und landet bei 9,6 bis 9,9 Prozent. Zweitstärkste Kraft werden
die Grünen mit 18,5 bis 18,9 Prozent - eine Verdoppelung ihres
bisherigen Ergebnisses. Drittstärkste Kraft werden die Freien Wähler
mit 11,6 Prozent, dicht gefolgt von der AfD, die 10,9 Prozent
erzielt. Für die FDP wird der Wahlabend mit 5,0 bis 5,1 Prozent zur
Zitterpartie. Die Linke kommt mit 3,5 Prozent abermals nicht ins
Parlament.

Daraus ergibt sich folgende Sitzverteilung: CSU 74 bis 79, SPD 20 bis
21, Grüne 40, Freie Wähler 24 bis 25, AfD 23 bis 24 und FDP 11. Die
Wahlbeteiligung lag bei rund 72,5 Prozent.

Damit muss sich nun die CSU, die Bayern seit 1962 mit Ausnahme der
Wahlperiode 2008 bis 2013 allein regiert hat, einen Koalitionspartner
suchen. Eine komfortable Mehrheit hätte eine schwarz-grüne Koalition,
die Umfragen zufolge auch von vielen Bürgern bevorzugt wird. Söder
erklärte jedoch noch am Freitag, dass das Programm der Grünen mit
ihren Spitzenkandidaten Katharina Schulze und Ludwig Hartmann «nicht
koalitionsfähig» sei. Kaum überbrückbar erscheinende Differenzen gi
bt
es vor allem in Fragen der inneren Sicherheit und der Asylpolitik.

Hoffnung auf eine Regierungsbeteiligung machen sich die Freien Wähler
von Parteichef Hubert Aiwanger. Nach den Hochrechnungen hätte eine
solche Koalition eine knappe Mehrheit. Aiwanger sagte am Abend, seine
Partei werde der CSU jetzt machbare Vorschläge vorlegen. «Und ich bin
überzeugt, die CSU wird anbeißen.» Eine Dreierkoalition zusammen mit

der FDP von Spitzenkandidat Martin Hagen hätte eine satte Mehrheit -
wenn denn die FDP in den Landtag einzieht.

Söder sagte: «Das ist ein schmerzhafter Tag.» Die CSU habe aber den
klaren Regierungsauftrag erhalten. «Vom Bundestrend sich völlig
abzukoppeln, ist nicht so leicht.» Journalistenfragen nach der
Verantwortung von Parteichef Seehofer wich Söder aber aus.

Nach einer Analyse der Forschungsgruppe Wahlen sind die Gründe für
den Absturz der CSU «primär hausgemacht». Sie zeige bei
Regierungsbilanz, Parteiansehen und Sachkompetenzen Defizite und habe
«ein erhebliches Personalproblem»: «Neben einem schwach bewerteten
Ministerpräsidenten steht in Bayern ein massiv kritisierter
Parteichef.» Einer ARD-Analyse zufolge verlor die CSU 200 000 Wähler
an die Grünen und jeweils 180 000 an Freie Wähler und AfD.

Auch die SPD-Vorsitzende Andrea Nahles machte «die schlechte
Performance der großen Koalition hier in Berlin» mitverantwortlich
für den Absturz in Bayern. «Es ist uns nicht gelungen, uns von dem
Richtungsstreit in der CDU/CSU frei zu machen. Deswegen gab es auch
keinen Rückenwind aus Berlin, im Gegenteil. Fest steht, das muss sich
ändern.» Der AfD-Vorsitzende Jörg Meuthen sprach von einem
«grandiosen Erfolg» seiner Partei.

Der Absturz von CSU und SPD hatte sich seit Wochen in den Umfragen
abgezeichnet. Die CSU versuchte eine Doppelstrategie. Einerseits
lockte Söder mit milliardenschweren sozialen Leistungen des Landes
wie einem Familien- und einem Pflegegeld. Andererseits fuhr die CSU
einen harten Kurs in der Asylpolitik. Beides zog nicht. Der von
Seehofer losgetretene Streit um die Zurückweisung von Migranten an
den deutschen Grenzen, der in einer Rücktrittsandrohung gipfelte,
führte zwar fast zum Bruch der Unionsfraktion im Bundestag und der
großen Koalition insgesamt. Anschließend ging es für die CSU in den
Umfragen aber erst richtig bergab - obwohl Söder das Asylthema in den
letzten Wochen vor der Wahl dann aussparte.

Bei der Landtagswahl 2013 hatte die CSU mit 47,7 Prozent der Stimmen
die absolute Mehrheit geholt. Sie stellte 101 der 180 Abgeordneten im
Landtag. Die SPD war mit 20,6 Prozent (42 Sitze) zweitstärkste Kraft
geworden. Dahinter folgten die Freien Wähler mit 9,0 Prozent (19
Sitze) und die Grünen mit 8,6 Prozent (18 Sitze). Die FDP war 2013
mit 3,3 Prozent ebenso an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert wie die
Linke mit 2,1 Prozent. Die Wahlbeteiligung lag bei 63,6 Prozent.

Zur Wahl aufgerufen waren jetzt rund 9,5 Millionen Bürger, darunter
600 000 Erstwähler. Um die Mandate bewarben sich insgesamt 1923
Kandidaten aus 18 Parteien und Wählergruppen.

Söder hatte das Amt des Ministerpräsidenten erst im März von Seehofer

übernommen. Vorausgegangen war ein heftiger interner Machtkampf, der
sich nach dem schlechten Abschneiden der CSU (38,8 Prozent) bei der
Bundestagswahl 2017 verschärfte. Seehofer behielt aber den
CSU-Vorsitz und wechselte als Innenminister ins Kabinett Merkel.