Urteil um Abtreibungsparagraf 219a treibt Debatte an

Vor Gericht scheiterte eine Ärztin mit ihrer Berufung gegen ein
Urteil zu dem Abtreibungsparagrafen 219a. Doch aus der Politik
erhielt Kristina Hänel am Freitag viel Zuspruch. Von einer Seite
erhält sie allerdings auch Gegenwind.

Gießen/Berlin (dpa) - Vor Gericht hat die Ärztin Kristina Hänel am
Freitag eine Niederlage erlitten, politisch geht die Debatte um den
Abtreibungsparagrafen 219 allerdings weiter. Das Landgericht Gießen
wies am Freitag die Berufung zum umstrittenen Urteil gegen Hänel ab.
Die Allgemeinmedizinerin hatte Berufung gegen ein Urteil des Gießener
Amtsgerichts eingelegt, das sie vor knapp einem Jahr zu 6000 Euro
Strafe verurteilt hatte. Hänel werbe demnach auf ihrer Homepage für
Schwangerschaftsabbrüche. Das verstoße gegen den Paragrafen 219a des
Strafgesetzbuchs: Er verbietet das öffentliche Anbieten, Ankündigen
oder Anpreisen von Schwangerschaftsabbrüchen.

Hänel selbst forderte im Anschluss an das Urteil vor Journalisten
eine Gesetzesänderung. Zu allem ließen sich in der heutigen Zeit
Informationen finden - nur keine sachlichen Informationen zum Thema
Schwangerschaftsabbruch. «Ich stehe hier für die vielen, vielen
Tausend Frauen, die betroffen sind», sagte Hänel. Zudem müsse die
Kriminalisierung der Ärzte aufhören.

Das Statistische Bundesamt hat im vergangenen Jahr 101 209
Schwangerschaftsabbrüche registriert. Knapp 80 Prozent wurden in
einer Gynäkologischen Praxis oder einem OP-Zentrum vorgenommen. Vor
20 Jahren lag der Anteil der Eingriffe in Krankenhäusern noch bei
etwa 35 Prozent.

Bundesfrauenministerin Franziska Giffey (SPD) plädierte am Freitag
für eine Reform des Paragrafen. «Wenn Frauen in so einer schwierigen
Situation sind - und das ist eine extreme Ausnahmesituation - dann
brauchen sie Beratung, Information und Unterstützung», sagte Giffey.
«Das darf man ihnen nicht verwehren.» Es gehe um Information, nicht
um Werbung. Den Ärzten müsse Rechtssicherheit gegeben werden.

Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) sagte den Zeitungen der
Funke Mediengruppe noch vor der Gerichtsentscheidung, sie sei
optimistisch, dass «noch in diesem Herbst» eine Lösung in der
Koalition über den umstrittenen Paragrafen gefunden werde.

Zwei katholische Frauenorganisationen sprachen sich unterdessen für
den Erhalt von Paragraf 219a aus. Auch eine Einschränkung des
Paragrafen lehnten die Vorsitzenden des Katholischen Deutschen
Frauenbunds und der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschland in
einer gemeinsamen Stellungnahme ab.

Der Vorsitzende Richter Johannes Nink sprach in seiner
Urteilsbegründung von einer zwiespältigen Gesetzeslage. Zwar
habe auch er Zweifel, ob Paragraf 219a verfassungsgemäß sei, doch
seien diese nicht stark genug, um den Fall dem
Bundesverfassungsgericht vorzulegen. Der Gesetzgeber sei gefragt, für
eine Neuregelung zu sorgen.

Union und SPD streiten seit Längerem über den Paragrafen 219a im
Strafgesetzbuch. Gegner der Regelung argumentieren, dass auch
sachliche Informationen für ungewollt schwangere Frauen durch den
Paragrafen verhindert würden. Die SPD will diesen daher reformieren
oder abschaffen. In der Union gibt es dagegen aber große Vorbehalte.