Mehr als 100 Abgeordnete für Debatte über Bluttests vor Geburt Von Basil Wegener und Sascha Meyer, dpa

Es ist eine schwierige Frage für viele werdende Eltern: Wie weit
wollen sie mit Gen-Untersuchungen zur Gesundheit ungeborener Kinder
gehen? Nun soll sich der Bundestag für die Gesellschaft insgesamt
damit befassen.

Berlin (dpa) - Mehr als 100 Bundestagsabgeordnete dringen auf eine
grundlegende Klärung ethischer Fragen bei Bluttests für Schwangere,
etwa auf ein Down-Syndrom des Kindes. Die Fortschritte der
genetischen Diagnose erforderten gesellschaftliche Antworten, wie mit
den Erkenntnissen umzugehen sei, sagte der CDU-Abgeordnete Rudolf
Henke bei der Vorstellung einer fraktionsübergreifenden Initiative am
Freitag in Berlin. Angestrebt wird dafür eine offene Debatte im
Bundestag Anfang kommenden Jahres. Hintergrund ist auch eine Prüfung
des Gemeinsamen Bundesausschusses des Gesundheitswesens, in welchen
Fällen die gesetzlichen Kassen solche Tests künftig bezahlen könnten.


Die Linke-Abgeordnete Kathrin Vogler erläuterte, es sei mit vielen
weiteren Bluttests zu genetisch verursachten Erkrankungen ungeborener
Kinder zu rechnen. Noch sei eine gesellschaftliche Debatte möglich.
«Wir sollten das Zeitfenster nutzen.» Die Grünen-Abgeordnete Corinna

Rüffer sagte, statt durch immer mehr Tests den Anschein zu erwecken,
man habe es unter Kontrolle, was für ein Kind man bekomme, gehe es um
Wertschätzung von Vielfalt. Dagmar Schmidt (SPD) sagte, Eltern
sollten nie in Gefahr geraten, sich für die Geburt eines Kindes
rechtfertigen zu müssen. Jens Beeck (FDP) betonte, diese Diskussion
solle dann auch in die gesamte Gesellschaft getragen werden.

Den Anstoß für eine Debatte haben zehn Parlamentarier von Union, SPD,
Grünen, Linken und FDP in einem gemeinsamen Papier gegeben. Menschen
mit Down-Syndrom würden mit ihrer Sicht auf ihr Leben und diese Tests
bisher zu wenig in die Diskussion einbezogen, heißt es darin. Zu den
Abgeordneten, die den Vorstoß unterstützen, gehören etwa auch
Bundesforschungsministerin Anja Karliczek, die Staatsministerinnen
Monika Grütters und Annette Widmann-Mauz (alle CDU) und
Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt.

Bei einem Down-Syndrom haben Menschen in jeder Zelle ein Chromosom
mehr als andere Menschen. Das Chromosom 21 ist dreifach vorhanden,
daher auch die Bezeichnung Trisomie 21. Folgen sind körperliche
Auffälligkeiten und eine verlangsamte motorische, geistige und
sprachliche Entwicklung. Die Ausprägungen sind aber sehr
unterschiedlich.

Seit 2012 werden Schwangeren vorgeburtliche Bluttests angeboten, die
unter anderem untersuchen, ob das Kind mit Down-Syndrom auf die Welt
kommen würde. Lange hatte sich dies zuvor während der Schwangerschaft
nur mit einer riskanteren Fruchtwasseruntersuchung abschätzen lassen.

Auch die frühere Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt wirbt für
eine Debatte. «Wollen wir, dass bei allen schwangeren Frauen ein
Bluttest auf Down-Syndrom des Kindes gemacht wird?», sagte die
SPD-Abgeordnete, die auch Vorsitzende der Bundesvereinigung
Lebenshilfe ist, der dpa. Würden die Tests als Reihenuntersuchung
eingeführt, «wäre das ein Signal, dass Down-Syndrom vermieden werden

sollte». Menschen mit Down-Syndrom würden sich zu Recht abgewertet
fühlen. Der Test sollte allenfalls in Risikofällen gemacht werden.
Dazu bedürfe es aber umfassender Beratung der Paare durch Ärzte.

Der Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, Peter Dabrock, sagte dem
Redaktionsnetzwerk Deutschland (Freitag): «Auch wenn es
gesellschaftlich nicht mehr erwünscht ist, zu sagen, man wolle kein
behindertes Kind: Im tiefsten Innern wünschen sich doch alle Eltern
gesunden Nachwuchs. Und ein Gentest hat im Unterschied zu den
herkömmlichen Untersuchungsmethoden keine Nebenwirkungen.» Er betonte
zugleich, das gesellschaftliche Klima im Umgang mit Behinderung sei
deutlich besser geworden. «Bei dieser gewandelten Einstellung muss
und kann man ansetzen, damit die pränatale Selektion nicht zu einer
gesellschaftlichen Norm wird.» Es gehe unter anderem um die Frage,
wie Behinderte noch besser gefördert und integriert werden können.

Die gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV) begrüßten die Initiative

aus der Mitte des Bundestages. «Das Parlament ist der richtige Ort,
um über diese grundlegende ethische Frage zu entscheiden», sagte der
Sprecher des GKV-Spitzenverbandes, Florian Lanz, der dpa.