Hoffnung für Bayer: Wird das Glyphosat-Urteil gegen Monsanto gekippt? Von Hannes Breustedt, dpa

«Keine klaren und überzeugenden Beweise» - hinter dem 289 Millionen
Dollar schweren Urteil im Rechtsstreit um angebliche Krebsgefahren
glyphosathaltiger Unkrautvernichter von Monsanto steht plötzlich ein
großes Fragezeichen. Für die Konzernmutter Bayer geht es um viel.

San Francisco (dpa) - Wichtiger Teilerfolg für die Bayer AG: Im
ersten US-Prozess um angebliche Krebsrisiken von Unkrautvernichtern
der Tochter Monsanto mit dem umstrittenen Wirkstoff Glyphosat bahnt
sich eine Kehrtwende an. Die zuständige Richterin Suzanne Ramos
Bolanos gab am Mittwoch (Ortszeit) in San Francisco vorläufig einem
Antrag statt, den Fall in wesentlichen Teilen neu aufzurollen. Sie
machte dem Bayer-Konzern in einer Berufungsanhörung Hoffnung auf eine
deutlich geringere Strafe. Der Fall ist für den Agrarchemie-Riesen
enorm wichtig - es geht um ein 289 Millionen US-Dollar (251 Mio Euro)
schweres Urteil, das Signalwirkung für Tausende weitere Klagen hat.

Im August hatte eine Jury des Gerichts in Kalifornien Monsanto zur
Schadenersatzzahlung in dreistelliger Millionenhöhe an den an
Lymphdrüsenkrebs erkrankten Kläger Dewayne «Lee» Johnson verurteilt
.
Die Geschworenen sahen es als erwiesen an, dass glyphosathaltige
Monsanto-Produkte krebserregend sind und der Hersteller davor nicht
nur nicht ausreichend gewarnt, sondern sogar in böswilliger Absicht
die Risiken verschleiert hat. Monsanto legte Berufung ein und
fordert, dass der Fall wegen unzureichender Beweise neu verhandelt
wird. Dem stimmte das Gericht auf vorläufiger Basis weitgehend zu.

Die Klägeranwälte hätten keine «klaren und überzeugenden Beweise
» für
vorsätzliches Fehlverhalten von Monsanto vorgelegt, hieß es in der
Begründung von Richterin Bolanos. Dadurch könnte sich der
Schadenersatz deutlich verringern. Die anschließende, mehr als zwei
Stunden lange Gerichtsanhörung verlief teils hitzig - Monsantos
Verteidiger erhoben heftige Vorwürfe gegen die Klägerseite. Sie
beschuldigten insbesondere den Anwalt Brent Wisner, der das Urteil
vom August erstritten hatte, die Jury mit Unwahrheiten aufgehetzt zu
haben. «Dies war kein fairer Prozess», sagte Monsantos Anwalt George
Lombardi mehrmals und forderte vehement eine Neuauflage.

Wisner, der nicht persönlich bei Gericht erscheinen konnte und sich
von seinem Kollegen Michael Miller vertreten ließ, meldete sich
aufgebracht per Telefon zu Wort: «Ich werde hier laufend der Lüge
bezichtigt», dabei habe er sich gegenüber der Jury korrekt verhalten.
Die Geschworenen hätten eine wohlüberlegte Entscheidung getroffen -
die dürfe nicht aufgehoben werden. Monsanto hatte sich insbesondere
über Wisners Vergleiche mit der Tabakindustrie geärgert, die
Sammelklägern wegen arglistiger Täuschung über die Risiken von
Zigaretten etliche Milliarden zahlen musste.

Richterin Bolanos beendete den Gerichtstermin letztlich ohne eine
formale Anordnung, den Prozess in die nächste Runde zu schicken. Sie
forderte die Streitparteien auf, bis Freitag noch einmal schriftlich
ihre Argumente einzureichen und kündigte an, sich danach endgültig
festzulegen. Bayer begrüßte die vorläufige Entscheidung der
Richterin. Der Konzern sei «weiterhin davon überzeugt, dass das
Urteil und die Schadenersatzforderungen im Widerspruch zu den im
Prozess vorgelegten Beweisen stehen», hieß es in einem Statement.

Anleger reagierten erleichtert. Die Bayer-Aktie legte am Donnerstag
um mehr als fünf Prozent zu, während der Dax insgesamt weiter unter
Druck stand. Nach dem Urteil im August war es zu einem heftigen
Kurseinbruch gekommen, der Bayers Börsenwert zeitweise um mehr als 15
Milliarden Euro gedrückt hatte. Durch den Kurssprung auf fast 79 Euro
kehrten die Papiere nun auf ihr Niveau von Anfang September zurück.

Für Monsantos deutsche Konzernmutter, die den US-Saatgutriesen mit
Sitz in St. Louis erst Mitte des Jahres für rund 63 Milliarden Dollar
übernommen hatte, ist die Entscheidung des Gerichts von gewaltiger
Bedeutung. Denn in den USA laufen rund 8700 Klagen wegen möglicher
Erkrankungen durch Glyphosat gegen Monsanto. Der Fall Johnson ist
besonders brisant, da es sich um das erste Urteil handelt und es
richtungsweisend für die zahlreichen weiteren Klagen sein könnte.

Bei dem 46-jährigen Johnson war 2014 Lymphdrüsenkrebs diagnostiziert
worden. Er machte Monsanto-Unkrautvernichter wie Roundup und Ranger
Pro für seine Krankheit verantwortlich. Mit den Produkten hantierte
er in seinem früheren Job als Platzwart an kalifornischen Schulen
häufig. Johnson dürfte nach Einschätzung seiner Ärzte wegen seines

fortgeschrittenen Krebsleidens nicht mehr lange leben, deshalb hatte
er in Kalifornien Anrecht auf einen schnelleren Prozessbeginn. Sollte
Richterin Bolanos neue Verhandlungen anordnen, dürften Johnsons
Anwälte versuchen, diese Entscheidung anzufechten.

Über die Frage, ob Monsantos Verkaufsschlager Roundup zu Krebs führen
kann, wird schon seit Jahren gestritten - die Wissenschaft gibt hier
bislang keine klaren Antworten. Die Internationale
Krebsforschungsagentur der Weltgesundheitsorganisation (WHO) stufte
den weit verbreiteten Unkrautvernichter 2015 als «wahrscheinlich
krebserregend» für Menschen ein. Monsanto und Bayer weisen dies
vehement zurück und verweisen auf «mehr als 800 wissenschaftliche
Studien, die US-Umweltbehörde EPA, die Nationalen
Gesundheitsinstitute und Aufseher weltweit», die belegten, dass
Glyphosat sicher sei und keinen Krebs verursache.