Pflegebeitrag steigt - Kritiker vermissen «Gesamtkonzept» Von Basil Wegener und Sascha Meyer, dpa

Für die Pflegeversicherung müssen die Menschen bald tiefer in die
Tasche greifen. Doch absehbar ist schon heute, dass das Geld nicht
sehr lange reichen wird.

Berlin (dpa) - Auf die Bundesbürger kommen zum Jahresbeginn höhere
Beiträge zur Pflegeversicherung zu. Zum 1. Januar 2019 soll der Satz
um 0,5 Punkte auf 3,05 Prozent des Bruttoeinkommens steigen, wie das
Bundeskabinett am Mittwoch beschloss. Beitragszahler ohne Kinder
müssen künftig 3,3 Prozent zahlen. Der Pflegebeitrag erhöht sich
somit bei einem monatlichen Bruttolohn von 2000 Euro im kommenden
Jahr um 10 Euro, wobei Arbeitnehmer und -geber jeweils die Hälfte
zahlen. Erwartet werden insgesamt jährliche Mehreinnahmen von 7,6
Milliarden Euro.

FINANZBEDARF: Die Anhebung soll die Finanzen der Pflegekassen
stabilisieren, denen angesichts von immer mehr Pflegebedürftigen ein
Milliardendefizit droht. Mit der Einführung neuer Pflegegrade statt
der bisherigen Pflegestufen im vergangenen Jahr hatten mehr
Demenzkranke Pflegeleistungen bekommen. Außerdem plant die Koalition
Maßnahmen gegen die Personalnot in der Pflege.

«Bessere Pflege kostet», sagte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU).
In der vergangenen Wahlperiode ausgedehnte Leistungen für
Pflegebedürftige und Angehörige würden weiterhin stärker angenommen

als gedacht. In dieser Legislaturperiode sollten die
Arbeitsbedingungen für Pflegekräfte verbessert werden. «Das muss uns

als Solidargemeinschaft etwas wert sein. Gute Pflege braucht unsere
Unterstützung», sagte Spahn. Mit der Anhebung soll der Beitragssatz
laut Bundesregierung bis 2022 stabil gehalten werden können. Das
Gesetz muss noch durch den Bundestag, im Bundesrat ist es nicht
zustimmungspflichtig.

WEITERE BEITRAGSÄNDERUNGEN: Parallel zur Erhöhung des Pflegebeitrags
wird ebenfalls zum 1. Januar 2019 der Arbeitslosenbeitrag um 0,5
Punkte gesenkt, nämlich von 3 auf 2,5 Prozent des Bruttoeinkommens.
Das hatte das Kabinett bereits im September beschlossen.

Der Rentenbeitrag bleibt zwar vorerst bei 18,6 Prozent stabil. Nach
der Einigung der Koalition auf ein milliardenschweres Rentenpaket
geht die Deutsche Rentenversicherung aber davon aus, dass der
Beitragssatz spätestens 2023 auf bis zu 19,3 Prozent steigen wird.
Bei der Krankenversicherung gilt ein fester Satz von 14,6 Prozent,
der jeweils zur Hälfte von Arbeitgebern und Arbeitnehmern finanziert
wird. Dazu kommt ein durchschnittlicher Krankenkassen-Zusatzbeitrag
von 1,0 Prozent vom Einkommen. Nach Einschätzung der Kassen wird
dieser im kommenden Jahr nicht steigen. Ab 1. Januar 2019 soll der
jetzt von den Kassenmitgliedern allein zu zahlende Zusatzbeitrag zur
Hälfte von den Arbeitgebern getragen werden. Längerfristig gilt auch
eine Erhöhung der Krankenkassenbeiträge als unvermeidlich.

REAKTIONEN: Die Arbeitgeber warnten vor steigenden Belastungen durch
die Sozialbeiträge. «Ich appelliere an die Bundesregierung, die
langfristige Finanzierbarkeit der Sozialsysteme zu sichern», sagte
Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer der Deutschen Presse-Agentur in
Berlin. «Die Sozialbeiträge werden sonst nicht unter 40 Prozent
bleiben - und das wäre eine schwere Hypothek für Wachstum,
Beschäftigung und Wettbewerb in Deutschland.» Der Deutsche
Gewerkschaftsbund forderte ein Gesamtkonzept, in das sämtliche
Vorhaben in der Pflege, inklusive Pflegepersonal, eingepreist werden,
wie Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach sagte. Die Warnung von
Kramer wies Buntenbach zurück. Auch die Deutsche Stiftung
Patientenschutz forderte ein «schlüssiges Gesamtkonzept zur
nachhaltigen Finanzierung der Pflege», wie Vorstand Eugen Brysch der
dpa sagte.

Die Grünen-Pflegeexpertin Kordula Schulz-Asche warf Spahn
«Augenwischerei» vor - das Geld reiche nicht zur Deckung künftiger
Kosten. Der FDP-Abgeordnete Johannes Vogel warf der Koalition vor,
von ihrem Ziel, die Bürger zu entlasten, sei nichts mehr übrig
geblieben.