Pflegebeitrag soll steigen - Arbeitgeber fordern Beitragsbremse

Die Gesellschaft wird älter - die Kosten für die Pflege steigen. Also
klettern auch die Beiträge. Die Wirtschaft macht sich Sorgen, wohin
die Reise längerfristig geht.

Berlin (dpa) - Die Beitragszahler sollen ab 1. Januar 2019 tiefer für
die Pflegeversicherung in die Tasche greifen müssen. Das
Bundeskabinett will dafür an diesem Mittwoch eine Erhöhung des
Beitragssatzes um 0,5 Prozentpunkte beschließen. Derzeit liegt er bei
2,55 Prozent des Bruttoeinkommens, für Beitragszahler ohne Kinder bei
2,8 Prozent. Der Pflegebeitrag erhöht sich somit bei einem Bruttolohn
von 2000 Euro im kommenden Jahr um 10 Euro, wobei Arbeitnehmer und
-geber jeweils die Hälfte zahlen.

Der Gesetzentwurf von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) durchläuft
nach dem Kabinettsbeschluss noch das parlamentarische Verfahren.
Geplant sind Mehreinnahmen von 7,6 Milliarden Euro pro Jahr, wie es
in Regierungskreisen hieß.

Spahn sagte, es gebe immer mehr Pflegebedürftige, zugleich wolle man
mehr und besser bezahlte Pflegekräfte. «Das heißt: Es braucht mehr
Geld», erklärte er im Radiosender HR-Info. Eines der besten
Gesundheitssysteme der Welt zu haben, koste jeden einen hohen
Beitrag. «Mein Eindruck ist: Gesellschaftlich gibt es dafür aber auch
eine hohe Unterstützung.» Zugleich sprach sich Spahn für eine
gesellschaftliche Debatte über die Finanzierung aus. Ein höherer
Steuerzuschuss sei dabei nur eine der Optionen.

Parallel zur Erhöhung des Pflegebeitrags wird ebenfalls zum 1. Januar
2019 der Arbeitslosenbeitrag um 0,5 Punkte gesenkt, nämlich von 3 auf
2,5 Prozent des Bruttoeinkommens. Das hatte das Kabinett bereits im
September beschlossen.

Die Arbeitgeber warnten vor steigenden Belastungen durch die
Sozialbeiträge. «Ich appelliere an die Bundesregierung, die
langfristige Finanzierbarkeit der Sozialsysteme zu sichern», sagte
Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer der Deutschen Presse-Agentur in
Berlin. «Die Sozialbeiträge werden sonst nicht unter 40 Prozent
bleiben - und das wäre eine schwere Hypothek für Wachstum,
Beschäftigung und Wettbewerb in Deutschland.»

Hintergrund der Mahnung der Wirtschaft sind auch die Entwicklungen
bei Rente und Krankenversicherung. Der Rentenbeitrag bleibt zwar
vorerst bei 18,6 Prozent stabil. Nach der Einigung der Koalition auf
ein milliardenschweres Rentenpaket geht die Deutsche
Rentenversicherung aber davon aus, dass der Beitragssatz spätestens
2023 steigen wird. Eine Anhebung auf bis zu 19,3 Prozent hält sie für
absehbar.

Bei der Krankenversicherung gilt ein fester Satz von 14,6 Prozent,
der jeweils zur Hälfte von Arbeitgebern und Arbeitnehmern finanziert
wird. Dazu kommt ein durchschnittlicher Krankenkassen-Zusatzbeitrag
von 1,0 Prozent vom Einkommen. Nach Einschätzung der Kassen wird
dieser im kommenden Jahr nicht steigen. Ab 1. Januar 2019 soll der
jetzt von den Kassenmitgliedern allein zu zahlende Zusatzbeitrag zur
Hälfte von den Arbeitgebern getragen werden. Längerfristig gilt auch
eine Erhöhung der Krankenkassenbeiträge als unvermeidlich, da die
Menschen im Schnitt älter werden und der medizinische Fortschritt
teuer ist.

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz mahnte ein «schlüssiges
Gesamtkonzept zur nachhaltigen Finanzierung der Pflege» an, wie
Vorstand Eugen Brysch der dpa sagte. Auch FDP-Fraktionsvize Michael
Theurer kritisierte in der «Rhein-Neckar-Zeitung» (Mittwoch): «Ein
Gesamtkonzept in der Pflege fehlt.» Brysch sagte, die Erhöhung solle
den Beitrag der Pflegeversicherung bis 2022 stabil halten. «Das hatte
die Bundesregierung aber schon bei der letzten Anhebung zum 1. Januar
2017 versprochen.»

Die Ausgaben der Pflegebedürftigen und Beitragszahler würden steigen,
ohne dass sie wüssten, wohin die Reise gehen solle, kritisierte
Brysch. «Zukünftig sollte die Pflegeversicherung die gesamten
Pflegekosten übernehmen.» Spahn solle ein entsprechendes Konzept
erarbeiten. Als Sofortmaßnahme sollten die Leistungen der
Pflegeversicherung einmalig um 500 Euro erhöht werden, forderte
Brysch. So könnten Kaufkraftverlust und Tarifsteigerungen abgefangen
werden.