Streit um Stickoxide: Wie gefährlich ist das Reizgas für den Körper?

Stickoxide aus Dieselfahrzeugen gelten als gesundheitsschädlich. Wie
sehr das Reizgas den Körper schädigt, ist eine komplexe Frage.

Berlin (dpa) - Kann ein flächendeckendes Fahrverbot für Diesel-Autos
vor Krankheiten schützen? Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) sagt ja,
denn vielerorts werden die Grenzwerte für Stickoxide überschritten.
Wie sehr aus Dieselmotoren kommende Schadstoffe die Gesundheit
beeinträchtigen, ist allerdings im Einzelfall nur schwer zu
untersuchen.

«Für die gesamte Bevölkerung wissen wir aus epidemiologischen
Studien, dass Feinstäube und NO2 (Stickstoffdioxid) aus Dieselabgasen
die Gesundheit stark schädigen können», sagt Anett Neumann vom
Umweltbundesamt (Uba) in Berlin. «Es gibt bislang aber wenige
Studien, die die gesundheitliche Wirkung den einzelnen
Luftschadstoffen zuordnen können.» Zu den Stickoxiden zählen unter
anderem Stickstoffmonoxid und Stickstoffdioxid.

Vor allem Stickstoffdioxid reizt die Atemwege. Beim Einatmen kommt es
mit den Schleimhäuten der Atemwege in Kontakt und kann Entzündungs-
und Umbauprozesse in den feinsten Bestandteilen der Lunge, den
Lungenbläschen, in Gang setzen, wie Neumann erklärt. Dadurch könne im

weiteren Verlauf unter anderem der Sauerstoffaustausch behindert
werden. Dies könne insbesondere Menschen mit chronischen
Atemwegserkrankungen, die nicht selten eine eingeschränkte
Lungenfunktion haben, zusätzlich beeinträchtigen.

Langfristig könnten erhöhte Stickstoffdioxid-Konzentrationen unter
anderem zu einer Entzündung der Atemwege (Bronchitis), einer
Verschlechterung vorbestehender Atemwegserkrankungen (etwa Asthma)
und zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen führen. Es ist belegt, dass mehr
Menschen wegen solcher Krankheiten ins Krankenhaus müssen, wenn die
Stickstoffdioxid-Belastung hoch ist. Forscher in Jena haben zudem
Anfang des Jahres herausgefunden, dass Stickoxide das
Herzinfarktrisiko erhöhen.

Viele Experten sehen das Hauptproblem aber trotzdem nicht in den
Stickoxiden, sondern im Feinstaub. Das sind kleinste Partikel, die
etwa bei Verbrennungsprozessen oder beim Abrieb von Reifen oder
Bremsbelägen entstehen. «Außer der reizenden Wirkung gibt es keinen
Beleg für eine ernsthafte toxische Wirkung von Stickoxiden», sagt
Hans Drexler von der Universität Erlangen. Für ihn wäre die
Einrichtung von Fahrverbotszonen zudem nichts anderes als
«Laborkosmetik». Die davon betroffenen Leute nähmen einfach Umwege,
sagt er. «Dadurch werden nur noch mehr Abgase ausgestoßen.»